Zum Tode von Herbert Cohen "Vorbild an Stärke, Vertrauen und Unbeugsamkeit"

Wuppertal · Wohl einer der letzten jüdischen Zeitzeugen ist nun hochgetagt in Wuppertal gestorben. Herbert Cohnen, 1923 geboren und in Elberfeld und Barmen aufgewachsen, hatte die Zeit der nationalsozialistischen Judenverfolgung als Sohn einer "gemischten Ehe" zu erleiden.

 Herbert Cohnen und Ulrike Schrader in der Sonderausstellung „Sternvergehen“, Begegnungsstätte Alte Synagoge, 2014.

Herbert Cohnen und Ulrike Schrader in der Sonderausstellung „Sternvergehen“, Begegnungsstätte Alte Synagoge, 2014.

Foto: Begegnungsstätte Alte Synagoge

Ein Nachruf von Dr. Ulrike Schrader, Leiterin der Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal.

"Sein jüdischer Vater, der Zigarrenhändler Alex Cohnen, und dessen evangelische Ehefrau Grete versuchten vergeblich, ihre beiden Söhne vor den rassistischen Diskriminierungen zu bewahren. Aber weil beide Jungen jüdisch erzogen worden waren und der jüdischen Gemeinde als Mitglieder angehörten, galten Sie den Nazis als Juden — sie waren ,Geltungsjuden‘.

So mussten auch sie alle diskriminierenden und demütigenden Vorschriften und Einschränkungen beachten: den Zwangsnamen ,Israel‘ führen, den gelben Stern tragen und Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie leisten. Die ,arische Mutter‘, die in keinem Moment auch nur daran dachte, sich scheiden zu lassen, teilte mit Mann und Söhnen ihre Lebensmittelzuweisungen. Noch im September 1944 wurden Herbert Cohnen und sein jüngerer Bruder Albert deportiert.

Hinzu kam, dass Herbert Cohnen im Alter von 14 Jahren an Kinderlähmung erkrankt war und fortan an beiden Beinen gelähmt war. So ist es wie ein Wunder, dass er die Entbehrungen, die Zwangsarbeit und die ständige Bedrohung bis zur Befreiung durch die Rote Armee überlebte. Auch sein Vater, der 1943 wegen so genannten ,Sternvergehens‘ nach Auschwitz deportiert worden war, kehrte wieder nach Wuppertal zurück, wo er allerdings schon 1946 seinen durch medizinische Experimente hervorgerufenen Verwundungen erlag.

Nach dem Krieg wirkte Herbert Cohnen tatkräftig am Aufbau der kleinen jüdischen Gemeinde in Wuppertal mit und engagierte sich in der örtlichen Gesellschaft für Christlich-jüdische Zusammenarbeit. Der gelernte Orthopädiemechaniker liebte die Oper und sang selbst im Männergesangsverein. Trotz seines Handicaps machte er den Führerschein und unternahm schöne Reise mit seiner Frau.

Aber seine Berufung fand Herbert Cohnen in der Begegnung mit jungen Menschen. Über Jahrzehnte hinweg berichtete er in zahlreichen Schulklassen und ihren Lehrerinnen und Lehrern in Wuppertal, Solingen und Remscheid aus seinem schwierigen Leben, und in der Begegnungsstätte Alte Synagoge war er ein gern gesehener Gast. Im Oktober 2017 wurde ihm wegen seiner Verdienste um die lebendige Erinnerungskultur der "Wuppertaler" verliehen.

Mit Herbert Cohnen verliert Wuppertal nicht nur einen Zeitzeugen und eine außergewöhnliche Persönlichkeit, sondern ein großes Vorbild an Stärke, Vertrauen und Unbeugsamkeit für alle Jüngeren."

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