Im Herbst vor 60 Jahren wurde die Wuppertaler Telefonseelsorge gegründet und seitdem ständig ausgebaut. Warum?
Heckel-Korsten: „Im ersten Jahr nach ihrer Gründung zählte die Telefonseelsorge rund 2.000 Anrufe im Jahr, heute sind es über 12.000. Wir leben in einer Krisenzeit, in der Menschen sich Begleitung wünschen und sie häufig nicht bekommen, weil soziale Kontakte fehlen und Therapeut:innen lange Wartelisten haben. Auch bei uns war oft Geduld nötig, bis unsere Leitung für ein Gespräch frei wurde. Deshalb haben wir jetzt eine zweite Leitung eingerichtet, unter der man uns erreichen kann. Auch die Mail- und Chatseelsorge bauen wir gerade aus und suchen neue Ehrenamtliche, die unser Team von rund 80 Seelsorgerinnen und Seelsorgern verstärken.“
Bevor sie eingesetzt werden, müssen sie eine Ausbildung absolvieren. Warum?
Heckel-Korsten: „Die Telefonseelsorge gehört zu den qualifizierten Ehrenämtern, die wir in der Kirche haben. Unser Anspruch ist es, anonym, vertraulich und kompetent für alle Menschen da zu sein, die sich mit ihren Sorgen und Nöten an uns wenden. Emotionales Zuhören ist wichtig, um am Telefon zu erfassen, was die Menschen bewegt und dann darauf einzugehen.
Unsere Seelsorge ist übrigens keine Beratung. Es geht nicht darum, gute Tipps zu geben oder den Anruferinnen du Anrufern zu erklären, was sie tun könnten, um ihre Probleme zu lösen. Diesen Druck erleben sie schon häufig genug in ihrem sozialen Umfeld. Zuhören, ernst nehmen, trösten und ermutigen, ohne zu drängen und zu raten – das ist eine ungewohnte Art der Kommunikation, vor allem am Telefon. Und die braucht Schulung und Übung.“
Was lernen Ehrenamtliche in der Ausbildung?
Heckel-Korsten: „Die kostenfreie Ausbildung umfasst 120 Stunden und dauert fast ein Jahr. Sie wird überwiegend von den beiden großen Kirchen aus Kirchensteuermitteln finanziert. Wir beginnen im Januar mit einem neuen Kurs, für den wir uns 14 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wünschen. Jeden Mittwoch von 18 bis 21 Uhr wird geschult. Hinzu kommen vier Wochenendseminare.
Die Ausbildung, die ich mit einem Co-Trainer anbiete, basiert auf den bundesweiten Telefonseelsorgestandards und beinhaltet drei Teile: Selbsterfahrung, Gesprächsführung und viele praktische Übungen anhand von Rollenspielen mit unserer Callcenter-Übungsanlage. Auch Hospitationen in der Telefonseelsorge gehören dazu.“
Wie umfangreich ist das Ehrenamt in der Telefonseelsorge?
Heckel-Korsten: „Es umfasst einen Einsatz von 15 Stunden im Monat. Unsere Ehrenamtlichen können sich ihre Schichten aussuchen. Da wir jetzt zwei Leitungen in zwei Dienstzimmern haben, gibt es für die Mitarbeitenden mehr Freiraum, sich die Schichten auszusuchen, die zu ihrer Lebenssituation passen. Das gilt auch für die Mail- und Chatseelsorge. Zum Dienstplan gehört auch ein Nachtdienst.
Die ganze Nacht wach zu bleiben und dann alleine in der Dienststelle zu sein, ist für viele Ehrenamtliche erstmal eine Überwindung. Es gibt aber auch Mitarbeitende, die gerade die Nachtdienste schätzen, weil sie die Gespräche dann mit mehr Ruhe führen können und gerne Dienste von anderen Mitarbeitenden übernehmen (mehr dazu im Porträt des Ehrenamtlichen Max).
Warum lohnt es sich, ehrenamtlich bei der Telefonseelsorge mitzumachen?
Heckel-Korsten: „Es ist sinnvoll verbrachte Zeit, sich in andere Menschen einzufühlen, über ihre Lebensthemen zu reden, nachzudenken und auch zu erleben, dass Gespräche eine heilsame, manchmal sogar lebensrettende Wirkung haben. Viele Ehrenamtliche sagen mir auch, dass sie viel über Kommunikation für ihren beruflichen und privaten Alltag gelernt haben, sensibler reagieren und besser Konflikte lösen können.
Und sie bekommen eine neue Perspektive auf Glauben und Kirche. Wir betonen immer, dass wir in der Telefonseelsorge zu dritt im Gespräch sind, denn Gottes Geist ist dabei. Ehrenamtliche erfahren in den Gesprächen, dass der Glaube eine heilsame Kraft entfalten kann, weil er Menschen entlastet. Wir sind nicht ganz auf uns allein gestellt und haben alles in der Hand. Nicht zuletzt empfinden es Ehrenamtliche als sehr bereichernd, dass sie keine Einzelkämpfer sind, sondern in einem engagierten Team arbeiten.“