Interview mit Ingo Schellenberg vom evangelischen Friedhofsverband Familiengruften sterben aus

In aller Stille, wie es sich für Friedhöfe gehört, verändert sich die Bestattungskultur. Besonders deutlich wird dies auf dem evangelischen Friedhof Unterbarmen mit seiner "Millionenallee". Stattliche Grabdenkmäler erinnern dort an bekannte Persönlichkeiten und Familien.

 Immer mehr große Grabanlagen können von ihren Besitzern nicht mehr unterhalten werden.

Immer mehr große Grabanlagen können von ihren Besitzern nicht mehr unterhalten werden.

Foto: Klaus-Günther Conrads

Rundschau-Mitarbeiter Klaus-Günther Conrads sprach mit Ingo Schellenberg, dem Geschäftsführer des evangelischen Friedhofsverbandes, darüber, was mit den steinernen Zeugen am Wegesrand zukünftig geschieht.

Selbst die Grabstätte der Familie Engels wurde aufgegeben. Was wird aus ihr?

 Ingo Schellenberg

Ingo Schellenberg

Foto: Klaus-Günther Conrads

Wir haben vor einigen Jahren die Grabmale der Familie Engels, von denen keines als Denkmal anerkannt wurde, freigelegt und die Fläche mit Rasen eingesät. Alle Versuche, Sponsoren zu finden, um die alten Grabmale zu restaurieren und die Grabstätte ansprechend zu gestalten, sind leider gescheitert.

Was passiert generell mit aufgebenen Großgräbern?

Soweit diese Gräber nicht mehr im Nutzungsrecht der Familien sind, versuchen wir, die Grabstätten und ihre zumeist sehr schönen historischen Grabmale in ihrer Grundsubstanz zu erhalten. Eine vollständige Restaurierung scheitert jedoch an den finanziellen Gegebenheiten. Wir wollen aber nicht, dass diese Grabstätten und Grabmale verloren gehen.

Haben die Angehörigen nicht das Geld oder das Interesse, die Anlagen ihrer bedeutenden Vorfahren zu finanzieren?

Familien leben nun mal nicht mehr ortsbezogen, sondern mobil. Oft in aller Welt. Deshalb wurden einige Familiengruften zu Urnengrabstätten umfunktioniert.

Die Zahl der Urnenbeisetzungen nimmt ohnehin zu?

Allerdings, in den letzten 15 Jahren sogar dramatisch. Zuletzt hat sich dieser Trend verlangsamt, er liegt jetzt bei 63 Prozent, aber auf einzelnen Friedhöfen bei knapp über 70 Prozent.

Auch um eine aufwändige Pflege zu vermeiden?

Zumindest gibt es auch hier einen klaren Trend: 2014 fanden über 47 Prozent aller Bestattungen in so genannten pflegefreien Grabstätten statt. Hier wird bei der Bestattung in Särgen oder Urnen in Rasen-Reihengräbern bereits die Pflege und Unterhaltung der Grabstätte bis zum Ende der Nutzungszeit bezahlt. Angeboten werden auch Columbarien, das heißt eine Aufbewahrung der Urnen in schrankartigen Wänden.

Daduch entstehen auf den Friedhöfen aber auf Sicht regelrechte "Flickenteppiche"?

Das können wir kaum verhindern. Wir versuchen gegenwärtig, zusammenhängende freie Grabflächen zu schaffen. Aber auf Dauer müssen wir uns überlegen, Friedhofsteile oder ganze Friedhöfe aufzugeben.

(Rundschau Verlagsgesellschaft)
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