Bündnis „Für die Würde unserer Städte“ EZB-Zinserhöhung: Wuppertal fordert gerechte Finanzverteilung

Wuppertal · Nach der Erhöhung des Leitzinses auf 0,5 Prozent durch die Europäische Zentralbank drohen den finanzschwachen Kommunen 450 Millionen Euro neue Lasten. Das befürchtet das Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“, dem Wuppertal angehört.

 Wuppertals Kämmerer Johannes Slawig bei einer Protestaktion vor dem Düsseldorfer Landtag.

Wuppertals Kämmerer Johannes Slawig bei einer Protestaktion vor dem Düsseldorfer Landtag.

Foto: büroluigs

„Das bedeutet allein für den Haushalt der Stadt Wuppertal eine jährliche zusätzliche Belastung bei den Kassenkrediten von circa 4,8 Millionen Euro. Bei den Investitionskrediten ist langfristig mit zusätzlichen Zinsen von circa 3,3 Millionen Euro jährlich für die bestehenden Kredite zu rechnen. Dazu kommen noch die Auswirkungen für neue Kredite, zum Beispiel des 100 Millionen Euro Sonderprogramms für das Gebäudemanagement“, so die Verwaltung.

Für Wuppertals Kämmerer und Stadtdirektor Johannes Slawig ist diese Entwicklung doppelt bitter. „Wir, die Kommunen waren in den genannten Krisen immer die Möglichmacher und sind immer in Vorleistung gegangen, ohne zu wissen, wann und in welcher Höhe Bund und Länder diese Ausgaben wieder ausgleichen. Zudem hatten die finanzschwachen Kreise und Städte wie Wuppertal in den vergangenen Jahren mit großen Anstrengungen einen Teil der Schulden abgebaut. Diese mühsam errungenen Erfolge drohen nun zunichtegemacht zu werden. Deshalb appelliere ich mit Nachdruck an Bund und Länder, endlich für eine gerechte Finanzverteilung zu sorgen.“

Die Stellungnahme des Bündnisses im Wortlaut:

„Die Folgen spüren Kommunen bereits, weil sie ohne Kreditaufnahme ihre Aufgaben nicht erfüllen können. Deshalb braucht es dringender denn je endlich eine gerechte Finanzverteilung in Deutschland. Was in Europa und der Welt geschieht, hat massive Folgen für die Kommunen. Das gilt für die Corona-Pandemie und den Ukrainekrieg ebenso wie für die hohe Inflation – und jetzt die Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank. Infolgedessen drohen den finanzschwachen Kommunen in Deutschland neue Lasten in Höhe von rund 450 Millionen Euro oder mehr. Das zeigt eine Rechnung, die das Aktionsbündnis ,Für die Würde unserer Städte vorlegt.

Der Wandel in der Zinspolitik ist für die finanzschwachen Kommunen schon spürbar. Die Städte und Gemeinden müssen regelmäßig Liquiditäts- und Investitionskredite aufnehmen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Dabei waren in den vergangenen Wochen bereits steigende Zinssätze bei Krediten mit kurzen Laufzeiten zu verzeichnen. Wie der Zinsaufwand nun weiter wächst, hängt davon ab, wie die Laufzeiten der bestehenden Kredite sind, zu welchen Zinssätzen die Kredite aufgenommen werden, zu denen die Kommunen gezwungen sind, und welche lang aufgeschobenen Investitionen nicht weiter warten können.

In diese Situation sind die betroffenen Kommunen weitgehend unverschuldet geraten. Die Mitglieder des Aktionsbündnisses ,Für die Würde der Städte‘ haben unabhängig von ihrer Größe und ihrer Lage in Deutschland alle eine bittere Gemeinsamkeit: Sie wurden von einem Strukturwandel getroffen und leiden deshalb bis heute unter überdurchschnittlichen hohen Sozialausgaben bei zugleich unterdurchschnittlichen Steuereinnahmen.

Für die Berechnung der finanziellen Folgen hat das Aktionsbündnis ,Für die Würde unserer Städte‘ den Einfluss der steigenden Zinsen über den langsamen Anstieg des durchschnittlichen Zinssatzes in verschiedenen Szenarien simuliert. Darin spiegelt sich der Zuwachs an neuen Krediten mit höheren Zinsensätzen am gesamten Kreditvolumen wider:

Szenario 1: Würden der durchschnittliche Zinssatz jährlich nur um 0,1 Prozentpunkte zunehmen, wäre das im Jahr 2026 ein Plus von 1,8 Prozentpunkten. Für die Kommunen in den sieben Bundesländern, in denen das Aktionsbündnis Mitglieder hat, würde dies eine zusätzliche Belastung von fast 450 Millionen Euro bedeuten.

Szenario 2: Eine Anhebung um jährlich 0,2 Prozentpunkte würde bis 2026 den durchschnittlichen Zinssatz um 2,5 Prozentpunkte steigern. Das wären für die genannten Städte, Gemeinden und Kreise fast 900 Millionen Euro.

Szenario 3: Wie beschrieben haben die Kommunen zahlreiche Investitionen aufgeschoben, um Schulden abzubauen oder neue zu verhindern. Viele Städte haben trotz der sich drastisch verschlechternden Rahmenbedingungen keine Möglichkeit mehr, mit diesen Investitionen noch länger zu warten. Andernfalls drohen ihnen gravierender Substanzverlust und Situationen, in denen öffentliches Eigentum nicht mehr genutzt werden kann. Deshalb liegen dem dritten Szenario ein Anwuchs der Zinsen um 0,1 Prozentpunkte pro Jahr (wie in Szenario 1) und ein Plus bei den Investitionskrediten von zwei Prozent zugrunde. Dann ergäbe sich eine Summe von rund 580 Millionen Euro zusätzlicher Lasten für die Kommunen in den sieben Bundesländern.

Diese setzt sich laut dem Aktionsbündnis ,Für die Würde unserer Städte‘ aus vier Elementen zusammen:

1. Lösung der Altschuldenfrage auf Bundesebene und in Nordrhein-Westfalen
2. Gerechte Finanzausstattung der Kommunen bei Aufgaben, die Bund und Länder ihnen zuweisen
3. Vereinfachte und pauschalisierte Förderprogramme
4. Verhinderung kommunaler Steueroasen“

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