Mozarts „Zauberflöte“ zum Saisonbeginn Kampf ums Opernhaus

Wuppertal · Trotz Corona: Die Oper startet mit einer spektakulären „Zauberflöte“ fulminant in die neue Saison.

 Barock trifft auf Gegenwart: Die drei Damen der nächtlichen Königin (Elena Puszta, Joslyn Rechter, Iris Marie Sojer) präsentieren dem Märchenprinzen Tamino (Sangmin Jeon, rechts) ein barockes Ölgemälde von Pamina.

Barock trifft auf Gegenwart: Die drei Damen der nächtlichen Königin (Elena Puszta, Joslyn Rechter, Iris Marie Sojer) präsentieren dem Märchenprinzen Tamino (Sangmin Jeon, rechts) ein barockes Ölgemälde von Pamina.

Foto: Jens Grossmann/JENS GROSSMANN

So eine Betriebsstörung der Schwebebahn hat doch auch ihr Gutes: Sie rettet den Prinzen Tamino. Wie der ausgerechnet nach Wuppertal gekommen ist, das weiß man nicht so genau, aber in Mozarts „Zauberflöte“ stolpert er ja auch ziemlich unvermittelt in die Handlung hinein. Und in Wuppertal gerät er zwischen die Fronten eines erbitterten Duells um das Opernhaus, wo die Königin der Nacht und ihre Damen gerade Hausverbot erhalten haben, wie wir während der Ouvertüre sehen.

Klingt alles ziemlich durcheinander? Ist es auch, genau wie die Handlung der Oper. Aber es ist ziemlich unterhaltsam, was Regisseur Bernd Mottl aus dem Stück gemacht hat. Und durchaus passend.

Immer wieder wechseln Filmsequenzen (Regie: Jörn Hartmann), gedreht an markanten Orten der Stadt, mit dem Bühnengeschehen ab, und oft ist das sehr witzig. Es gibt freilich ein prominentes Vorbild für dieses Verfahren, nämlich die Inszenierung von Wagners „Tannhäuser“ bei den Bayreuther Festspielen 2019.

In dieser „Zauberflöte“ eröffnet die ausgebootete Königin kurzerhand einen mobilen Imbiss mit dem hübschen Namen „Burger Queen“. Auch am Kfz-Kennzeichen des nachtblauen Wagens, W-KV 620, werden Mozart-Liebhaber ihre Freude haben: KV 620 ist die Nummer der „Zauberflöte“ in Mozarts Werkverzeichnis, dem „Köchel-Verzeichnis“. So manches Detail der Regie hat einen doppelten Boden.

Vordergründig geht es in Mozarts Oper um hehre Ideale, aber die Musik sympathisiert eindeutig mit den fehlbaren Menschen. Die Regie bietet für die Welt der Ideen historisierende Kostüme und Kulissen wie zu Mozarts Zeiten auf – Weisheitspriester Sarastro und seine Anhänger huldigen der in Wien 1791 grassierenden Ägypten-Mode (sehr hübsch ist die ironische Filmsequenz, in der diese kostümierten Herren sich auf den Weg zur Arbeit machen), die Königin und ihre Damen wie auch Tochter Pamina erscheinen in barocken Kostümen.

Pamina wandelt sich im Verlauf der Oper zur modernen Frau in Alltagskleidung, ihr „Retter“ Tamino dagegen bleibt orientalischer Prinz, in der Ideenwelt gefangen. Am Ende steht die Versöhnung von Tag und Nacht, von männlicher Vernunft und weiblicher Emotion, von pathetischer Idee und gelebtem Pragmatismus. Und, auf die Oper übertragen, wohl auch von plüschiger Kulisse und Regietheater.

Nicht alles geht auf, mancher Szene fehlt eine zündende Idee, hier und da stört es dann doch, dass die Regie wegen Corona Abstandsregeln einhalten muss. Aber insgesamt ist dies eine spritzige, durchaus kluge und sehr unterhaltsame „Zauberflöte“ made in Wuppertal geworden.

Musikalisch erreicht die Produktion nicht ganz das Niveau des brillanten „Figaro“ aus dem Vorjahr, der ja durchaus Maßstäbe setzte. Dabei singt Ralina Ralitsova eine großartige, glockenhell strahlende Pamina mit Mut zu den ganz leisen Tönen; Sangmin Jeon ist ein stimmlich draufgängerischer Tamino, Simon Stricker ein verspielt sympathischer Papageno und Nina Koufuchristou eine koloraturensichere Königin.

Dagegen liegt Sebastian Campione die Partie des Sarastro überhaupt nicht, die Stimme bleibt blass und wacklig. Couragiert singen die drei Knaben, Mitglieder der Kurrende, wobei an der Balance der Stimmen noch gefeilt werden kann.

Unter Leitung von George Petrou, einem renommierten Fachmann für „alte Musik“, gelingen dem guten Wuppertaler Sinfonieorchester viele schöne Passagen, aber mitunter fehlt es noch an der letzten Souveränität. Das geht vielleicht auch nicht anders nach so langer Zwangspause und erschwerten Probenbedingungen.

Der Chor singt in stark reduzierter Besetzung meist aus den seitlichen Logen, sehr ordentlich, kommt stellenweise in mäßiger Tonqualität vom Band (darunter leidet der Schluss des ersten Aktes sehr). Das sind Zugeständnisse, die man derzeit in Kauf nehmen muss, wie auch der nur halb gefüllte Zuschauerraum. Andere Theater trauen sich derzeit gar nicht erst an vollständige Opern heran.

Nicht nur deshalb ist den Wuppertaler Bühnen mit dieser unbedingt sehenswerten Produktion ein fulminanter Saisonstart gelungen.

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