Patrick Hahn und Georg Kreisler „Bitterböse Moritaten“

Wuppertal · Im klassischen Segment hat der neue Generalmusikdirektor des Sinfonieorchesters bereits seine ersten deutlichen Spuren hinterlassen. Im Mai und Juni können die Wuppertaler Patrick Hahn auch in einer ganz anderen Rolle erleben. Als lebhaften Entertainer am Klavier mit seinem vielbeachteten Georg-Kreisler-Programm. Darüber sprach Hendrik Walder mit Patrick Hahn.

 Patrick Hahn.

Patrick Hahn.

Foto: Alexander Maria Dhorn

Rundschau: Wie kommt ein junger Mann wie Sie zum Repertoire eines Künstlers, dessen Anhänger eigentlich eher in der Ü-60-Generation zu finden sind?

Hahn: „Ein Jugendfreund spielt mir das Triangellied vor, das vom traurigen Los eines Triangelspielers handelt, der stundenlang auf seinen kurzen Einsatz wartet. Diese tragikomische Art hat mich sofort fasziniert und so habe ich mich auf Entdeckungsreise begeben. Das Internet ist zum Glück voll davon.“

Rundschau: Gibt es keine Noten oder Songbooks?

Hahn: „Da gab es bis vor wenigen Jahren quasi nichts, die Lieder habe ich mir im Laufe der Zeit schon alle selbst erarbeiten müssen. Aber Hunderte von Aufnahmen, auch auf Schallplatten, sind eine gute Vorlage und sie bilden in meinen Augen einen ungeheureren musikalischen und sprachlichen Schatz. Mittlerweile gibt es mehrere Liederbücher, die posthum veröffentlicht wurden. Allerdings hat Kreisler selbst nichts aufgeschrieben, deshalb verwende ich diese nie, auch weil er sich selbst ja improvisierend immer etwas anders begleitet hat.“

Rundschau: Für den Sie mittlerweile als Experte gelten: Zu Kreislers zehntem Todestag 2021 erklärten im wesentlichen Sie im WDR-Zeitzeichen, worin die Faszination des Kreislerschen Werks liegt.

Hahn: „Man muss ja wissen, dass er ein bewegtes Leben hatte. Als Jude musste er 1938 aus Wien auswandern, wurde in den USA amerikanischer Staatsbürger, um dann als Soldat wieder nach Europa geschickt zu werden, wo er mit seinen Programmen die GI‘s unterhielt. Und wohl auch seinen tiefsinnigen Humor weiterentwickelte.“

Rundschau: Worin liegt der begründet?

Hahn: „Er hält der Gesellschaft einen Spiegel vor. Seine Lieder-Geschichten sind wahnsinnig intelligent gemacht. Einerseits wahr, aber oft auch so brutal, so dass einem das Lachen im Hals stecken bleibt. Gleichzeitig aber sind sie oft auch so überspitzt, dass man wieder befreit weiterlachen kann.

Rundschau: Wie beim „Taubenvergiften im Park“?

Hahn: „Ja, das ist die typische Kreislersche Art: Böse Charakterzüge, die sich im echten Leben allzu oft wiederfinden, wie das hobbymäßige Tieretöten oder makabere Vorgänge wie beim ,Spielen wir Unfall im Kernkraftreaktor‘ („Der Staat zahlt der Witwe das halbe Gehalt“) sind der Ausgangspunkt für bitterböse Moritaten.“

Rundschau: Ist Kreisler ein klassischer österreichischer Grantler?

Hahn: „Ich würde eher sagen, das ist ein spezielles Wiener Naturell. Und die Österreicher taten sich mit seiner Art anfangs durchaus schwer. Streng genommen war er in Deutschland, wo er ja auch lange lebte, lange Zeit viel beliebter.“

Rundschau: Kreisler war ein Nonkonformist, polarisierend, kantig, eckte gerne an. Erkennen Sie da auch sich selbst?

Hahn: „Nein, ich habe zwar schon klare eigene Vorstellungen, suche aber auch nach Verständigung. Die kompromisslose Herangehensweise bei Kreisler ist hingegen sicher auch in seiner Vita begründet.“

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