Grundschule Matthäusstraße Eltern für Wechselunterricht und Selbstbestimmung

Wuppertal · Um die Lehrerinnen und Lehrer in der aktuellen Situation zu unterstützen, haben sich Eltern am Mittwoch (2. Februar 2022) vor die Grundschule Matthäusstraße gestellt. Zudem haben sie einen Brief an das Schulministerium geschrieben. Der Wortlaut.

 Einige der Eltern vor der Grundschule Matthäusstraße.

Einige der Eltern vor der Grundschule Matthäusstraße.

Foto: Jil Neuburg

„Sehr geehrte Damen und Herren,

wir sind eine Schule im Aufbau. Die Schule existiert erst seit zweieinhalb Jahren. Von Anfang an gab es zu wenig Lehrer und keine eigene Schulleitung. Lehrerpersonal wurde von anderen Schulen abgeordnet und eine eigene Schulleitung haben wir mittlerweile nur deshalb, weil eine erfahrene und engagierte Lehrerin der ersten Stunde aus unseren eigenen Reihen, die Aufgabe in die Hand genommen hat.

Abgeordnete Lehrerinnen und Lehrer bleiben nur für eine gewisse Zeit. Nicht selten mussten deshalb Zeitspannen mit Aushilfskräften überbrückt werden, bis neue Lehrerinnen und Lehrer ihre Ausbildung beendet hatten. Der ,Lehrermarkt‘ ist leer. Für unsere Kinder hieß das im Klartext nicht nur der Verlust der wichtigsten Bezugsperson, sondern auch Verlust von Sicherheit und Kontinuität. Zur Erinnerung, wie reden hier von Grundschulkindern, die erst vor kurzem die Kindergartenzeit hinter sich gelassen haben.

Dazu kommt in unserem Fall ein dementsprechend kleiner Förderverein, der noch nicht der Rückhalt sein kann, der er in anderen Schulen ist. Wir haben zudem einen relativ großen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund, für deren Eltern die deutsche Sprache unter normalen Umständen bereits eine Herausforderung ist.

Lehrerinnen und Lehrer sagen seit Jahren, dass es mit den ganzen Zusatzaufgaben schwierig ist, den eigentlichen Lehrstoff vermitteln zu können und dabei die individuellen Schülerinnen und Schüler nicht aus den Augen zu verlieren. Seit nun mehr zwei Jahren müssen sich Lehrerinnen und Lehrer zusätzlich auf immer neue Regeln, neue Bestimmungen und Anordnungen sowie eine nicht unerhebliche Mehrarbeit in kürzester Zeit einstellen.

Gefühlt drehen sich die Diskussionen nur darum, Distanzunterricht vermeiden. Macht sich denn keiner die Gedanken, was dieses Hin und Her für unsere Jüngsten im Schulalltag bedeutet? In der Grundschule werden wichtige Grundlagen gelegt und dabei geht es nicht nur um Rechnen und Schreiben. Vieles wird in weiterführenden Schulen als selbstverständlich vorausgesetzt. Das fängt bei der Organisation der eigenen Materialien an und geht bis zum Sozialverhalten in einer Gemeinschaft.

Nichtsdestotrotz haben wir ein unwahrscheinlich engagiertes Lehrpersonal. Alle ziehen an einem Strang und gehen nicht selten über das, was ,normal‘ ist, hinaus. Wir, die Eltern stehen fest hinter unserem Lehrerkollegium. Sie tun alles, was sie können um unseren Kindern ein sicherer Hafen zu sein. Nicht zu vergessen unser Team des offenen Ganztags, das ebenso flexibel und engagiert, schnell und kompetent handelt.

Doch leider wird es ihnen sehr schwer gemacht. Die Ad-hoc-Bestimmung der letzten Woche bringen Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler an ihre emotionalen Grenzen. Wenn Kinder erst in der Schule getestet werden, können die Lehrpersonen es noch so sensibel organisieren, ein positives Testergebnis ist wie ein Schlag ins Gesicht. Er beschämt und macht Angst.

Es wird alles getan, um die Kinder in der Situation aufzufangen. Nichtsdestotrotz müssen sie das Klassenzimmer verlassen und, begleitet durch einen Erwachsenen, darauf warten, von ihren Eltern abgeholt zu werden. Das hört sich nach nicht viel an, wenn man es nur von außen sieht. Diese Situationen sind aber hochemotional und einschüchternd. Nicht selten sind gerade die Kleinsten total aufgelöst und weinen. Das lässt auch die Lehrerinnen und Lehrer nicht kalt.

Warum scheint das in der Politik unseres Landes anders zu sein? Kinder sind schon lange kein Objekt der Erziehung mehr, sondern gleichwertig Subjekte. Wenn es Erwachsenen schon nicht leichtfällt, mit dieser Situation umzugehen, warum verlangt man dies ohne mit der Wimper zu zucken von den Jüngsten? Was haben wir von Präsenzunterricht, wenn er permanent gestört wird, Lehrerinnen und Lehrer nie absehen können, wer und wie viele Kinder da sind? Wie sollen sie da planen und für alle nachhaltig unterrichten?

Die Erfahrung an unserer Schule hat gezeigt, dass Wechselunterricht in der jetzigen Situation die beste Variante ist. In Kleingruppen zu arbeiten ermöglicht es den Lehrerinnen und Lehrern, bestmöglich auf alle Kinder eingehen zu können. Natürlich verlangt das nicht nur der Schule, sondern auch den Eltern viel ab. Aber geht es nicht in erster Linie darum, dass unsere Kinder und vor allem bereits benachteiligte Kinder nicht abgehängt werden? Was bringen uns arbeitsfähige Eltern, wenn die auf Kosten der nächsten Generation erkauft werden?

Wir sind für ein Selbstbestimmungsrecht an den Schulen. Nur so können wir den besten Weg für alle Kinder, Schulen, Lehrerinnen und Lehrer und Eltern finden.

Mit freundlichen Grüßen,
die Eltern der Grundschule Matthäusstraße in Wuppertal.“

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