Engels-Haus und Museum Transparenter Kubus als neues Besucherzentrum
Wuppertal · Der neue gemeinsame Eingangsbereich für das Engels-Haus und das Museum für Frühindustrialisierung in Wuppertal ist fertigt. Er dient zugleich als Besucherzentrum des Museums Industriekultur.
Über die breite Außentreppe oder die große Rampe erreichen die Besucherinnen und Besucher den von Sichtbeton- und Glasfassaden geprägten Kubus. Gebäudehohe Metallgewebebahnen sorgen für Schatten. Sie sollen an gewebte Stoffbänder und damit an die Vergangenheit Wuppertals als früher Standort der Textilindustrie erinnern.
In einem windgeschützten Foyer mit hoher Decke ist der Kassen- und Informationsbereich die erste Anlaufstelle. Aus der Eingangshalle betreten die Gäste das zentrale Treppenhaus mit dem Aufzug, durch den der gesamte Museumskomplex barrierefrei erschlossen wird. Taktile Leitsysteme helfen Menschen mit Sehbehinderung. Schließfächer für mitgebrachte Gegenstände befinden sich ebenso wie die Besuchertoiletten im Untergeschoss.
Im Erd- und im ersten Obergeschoss führen verglaste Verbindungsstege zu den Ausstellungsflächen in den beiden Nachbargebäuden. Im zweiten Obergeschoss liegt das „Engels-Forum“: In diesem Raum, der bis zu 100 Personen Platz bietet, können Veranstaltungen stattfinden, ohne durch den regulären Publikumsverkehr beeinträchtigt zu werden. Die erste öffentliche Veranstaltung im Besucherzentrum wird die „Lange Nacht der Revolution“ am 20. April 2024 sein. Der gesamte Kubus umfasst nahezu 2.400 Kubikmeter umbauten Raumes.
Die Dächer der Verbindungsstege werden begrünt. Auf dem Hauptdach befindet sich eine Photovoltaikanlage mit einer Nennleistung von 4.800 Watt unter Standard-Testbedingungen. Der Neubau erreicht Passivhausstandard: Der Energieverbrauch wird durch das Zusammenspiel von Sonnenschutz, Dämmung, Photovoltaikanlage und Luft-Wasser-Wärmepumpe auf ein Minimum reduziert. Spitzenlasten bei der Beheizung des Museums für Frühindustrialisierung sichert ein Erdgaskessel in der benachbarten Kannegießer’schen Fabrik ab.
Für die Gesamtkosten wurden vom Rat der Stadt Wuppertal 11,5 Millionen Euro freigegeben. Über das Regionale Wirtschaftsförderungsprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen werden die als zuwendungsfähig anerkannten Kosten zu 80 Prozent übernommen. In den Gesamtkosten enthalten ist nicht nur der Neubau, sondern sind auch die Fassadenrestaurierung der denkmalgeschützten Kannegießer‘schen Fabrik, der Bau eines 78 Kubikmeter großen Regenrückhaltebeckens zum Schutz des historischen Baubestands und die gesamte Neugestaltung des Innenhofs.
Von der Gestaltung der Außenanlagen soll auch das benachbarte Theater am Engelsgarten profitieren. Es entsteht ein Hof zur gemeinsamen Nutzung mit Aufenthaltsqualität, schattenspendenden Bäumen, Bänken, Möglichkeit zur sommerlichen Bestuhlung und durchgängiger Beleuchtung. Ein taktiler Weg bietet Menschen mit Sehbehinderung Orientierung. Die Außenanlagen werden allerdings erst im Sommer fertiggestellt werden. „Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass die vergaberechtlich vorgeschriebenen Ausschreibungen aufgehoben werden mussten, weil keine wirtschaftlichen Angebote eingegangen waren“, so die Verwaltung
Insgesamt stand die Bauausführung unter keinem guten Stern. Kostensteigerungen und Starkregenereignisse machten gravierende Umplanungen im Jahr 2019 erforderlich. „Diese führten letztlich zwar zu einem optimierten Gebäude, das auch durch seine leicht erhöhte Lage besser gegen Hochwasser geschützt ist, benötigten aber Zeit. Baupreise explodierten, Angebote für den Stahlbau zum Beispiel lagen 40 Prozent über den Erfahrungswerten“, heißt es aus dem Rathaus. „Die Grundsteinlegung am 20. November 2020 fand in Corona-Zeiten statt. Lieferengpässe, Fachkräftemangel und hohe Firmenauslastung kamen hinzu. Und immer wieder mussten Ausschreibungen wiederholt werden, weil sich kein Bieter fand – wobei im Schnitt jede geplatzte Vergabe ungefähr vier Monate Zeitverzögerung mit sich bringt.“
Im Sommer sollen nun aber auch die Anpassungen für die neue Museumskonzeption der Kannegießer’schen Fabrik und der angrenzenden Reddehase’schen Remise fertiggestellt sein. Die Arbeiten beziehen sich insbesondere auf die Schaffung eines Aufzuges und einer barrierefreien Verbindung zwischen Fabrik und Remise, die Ertüchtigung des Brandschutzes und die Erneuerung der Toilettenanlagen für das Personal. Ebenfalls im Sommer, wenn auch die Außenanlagen fertig sind, soll es auch eine offizielle Eröffnung mit einem großen Fest geben.
Mit der in 2025 geplanten Wiedereröffnung des Museums für Frühindustrialisierung wird die Weiterentwicklung und Modernisierung des Museumsstandorts im Engelsquartier vorerst abgeschlossen sein.
Stimmen
Oberbürgermeister Uwe Schneidewind: „Das Engels-Haus und das Museum für Frühindustrialisierung sind mehr als nur Museen. Sie sind Orte des Lernens, der Reflexion und des Dialogs. Sie laden uns ein, die Vergangenheit zu verstehen und Gegenwart und Zukunft zu gestalten. Das neue Besucherzentrum ist sehr gelungen und wird diesem Anspruch gerecht.“
Kulturdezernent Matthias Nocke: „Das neue Eingangs-, Verbindungs- und Veranstaltungsgebäude stellt an dem Ort, an dem die Industriegeschichte unserer Stadt und unseres Kontinents außerhalb der britischen Inseln begann, ein zeitgemäßes Entree zur Stadtgeschichte und dem Familienhaus eines unserer großen Denker und Gestalter dar. Ein lebendiger Ort für eine lebendige Stadt, der auf unsere Potentiale hinweist um die Gegenwart zu gestalten und die Zukunft zu gewinnen.“
Dr. Lars Bluma (Direktor des Museums Industriekultur Wuppertal): „Das neue Besucherzentrum ist ein Meilenstein für die Weiterentwicklung des Engels-Hauses und des Museums für Frühindustrialisierung. Hier wird für den Besucher nicht nur eine zeitgemäße Infrastruktur angeboten, sondern endlich werden durch die bauliche Verbindung der beiden Museen auch deren inhaltlichen Bezüge klar ersichtlich.“
Mirja Montag (Betriebsleiterin des Gebäudemanagements der Stadt Wuppertal, GMW): „Es ist ein Bau entstanden, der unterschiedliche Gebäude, Höhen, Funktionen und Menschen verbindet und mit seiner großen Transparenz immer wieder Blicke auf die historischen Museumsbauten bietet.“