150 Jahre ÖPNV im Wuppertal Das fast vergessene Jubiläum

Wuppertal · Am 10. April war es 150 Jahre her, dass im Wuppertal die ersten Pferdebahnen rollten. Seitdem gilt dieses Datum als Beginn des Öffentlichen Personennahverkehrs vor Ort. Der Rückblick anlässlich eines offensichtlich aus dem kollektiven Gedächtnis verschwundenen Jahrestags ...

1954 rollten die letzten beiden Pferdebahnwagen bei einer Veranstaltung zur Freude der Wuppertaler durch die Stadt. Kurz danach kam die Verschrottung.

1954 rollten die letzten beiden Pferdebahnwagen bei einer Veranstaltung zur Freude der Wuppertaler durch die Stadt. Kurz danach kam die Verschrottung.

Foto: Sammlung Dorfmüller/BMB

Die damalige Doppelstadt Elberfeld-Barmen zählte mit der Einführung der Pferdebahnen zu den Pionieren in Deutschland. Nur scheint das Interesse daran heutzutage bei den Betreibern von Bussen und Bahnen wie auch Verwaltung eher gering zu sein. Anders in Polen: Dort in der Stadt Posen fährt als Touristenattraktion ein Pferdebahnwagen, der eine Wuppertaler Vergangenheit hat.

Die Frühzeit des Personentransportes ähnelt einem Wirtschaftskrimi. Bereits in den Jahren 1854 und 1855 fuhr ein Pferdeomnibus viermal am Tag zwischen Barmen und Elberfeld, der sich genauso wenig rentierte wie sein Nachfolger vom Kölner Unternehmer Johann Kürten, das 1862 einen zweiten Versuch startete. Erst 1872 gründete Johannes Büsing aus Berlin die Deutsche Pferdeeisenbahn-Gesellschaft. 1873 ereilte auch sie der Konkurs – aber dessen Verwalter führte den Bau zu Ende.

Dann übernahm ein Heinrich Quistorp das Objekt. Am 10. April 1874 fand die Eröffnung der neuen Pferdebahn statt, die zwischen der Schwarzbach und zunächst der Laurentiuskirche verkehrte. Nur kurz danach kamen die Verlängerungen bis Westende und Sonnborn. Die Doppelstockwagen boten unten 14 und oben 12 Sitzplätze.

 So sahen die ersten, doppelstöckigen Wagen der Pferdebahn aus.

So sahen die ersten, doppelstöckigen Wagen der Pferdebahn aus.

Foto: Sammlung Michael Malicke

Aus heutiger Sicht kurios: das fünfte Rad. Es lief in einer Führungsschiene, während die anderen vier Räder frei rollten. Es gab Ende 1874 insgesamt 22 Wagen, die werktags maximal alle zehn Minuten und an Sonntagen alle sechs bis sieben Minuten anzutreffen waren. Aber: Es kam oft zu Federbrüchen, selbst Geländer und Treppen gingen verloren. Daher folgte 1875 ein neues Unternehmen mit Sitz in Brüssel, das alsbald herkömmliche Schienen und neue Wagen anschaffte. 1889 wies man eine erfolgreiche Bilanz aus. Die Bahn besaß 51 geschlossene und 52 offene Wagen, für die 199 Pferde im Einsatz waren.

Die „Päädsbahn“ war eher gemütlich unterwegs. Im Volksmund kursierte folgender Reim:

Wat wor et doch gemütlich
Woll op de Päädsbahn,
dat eine Pääd dat zücht nich,
das angere wor lahm,
dä Kutscher wor besopen,
dä Konduktör wor voll,
un alle fünf Minuten
blit de Päädsbahn stonn!

Um die Jahrhundertwende waren mit dem Bau der Schwebebahn, der Barmer Bergbahn der Premiere der Barmer Straßenbahn vom Alten Markt nach Heckinghausen die Zeiten der „Päädsbahn“ abgelaufen. Die Städte Elberfeld und Barmen beauftragten die „Union Elektrizitätsgesellschaft“ zu Berlin mit der Elektrifizierung zwischen Schwarzbach und Westende. Von der Pferdebahn übernahm man noch 32 geschlossene und 42 offene Wagen.

Im Jahr 1954 präsentierten die Stadtwerke zum Stadtjubiläum die letzten beiden erhaltenen Pferdebahnwagen bei Rundfahrten durchs Tal – natürlich mit einem „Pääd“ davor. Kurz danach kam deren Verschrottung - ein Schicksal, das auch die meisten anderen verkehrshistorischen Erinnerungsstücke ereilt hat: alte Schwebebahnwagen, Zahnradbahnwagen, die schweren E-Loks des Ronsdorfer Netzes, O-Busse, Dieselbusse - alles weg.

 In Posen existiert noch ein Wagen mit Wuppertaler Vergangenheit – er kommt immer wieder auf die Strecke.

In Posen existiert noch ein Wagen mit Wuppertaler Vergangenheit – er kommt immer wieder auf die Strecke.

Foto: Sammlung. N. Kuschinski / Foto U. Thomsch

Die Bergischen Museumsbahnen in der Kohlfurth mussten immer die Schrotthändler überbieten, um Wagen für die Nachwelt zu erhalten. Nach Corona und Hochwasser, werden dort immer noch Mängel an der Strecke aufwändig repariert, man hofft inständig, Pfingsten 2024 wieder fahren zu können. Zeit und Mittel, des ÖPNV-Jubiläums zu gedenken, hat der Verein aktuell nicht. Vor 20 Jahren gab es immerhin noch eine umfangreiche WSW-Ausstellung im Foyer der Stadtwerke mit Fotos, Dokumenten und Souvenirs aus 130 Jahren Verkehrsgeschichte.

Dass es auch anders geht, zeigt ein Blick zu den polnischen Nachbarn. Die Verkehrsbetriebe in Posen haben eine kleine, aber feine Sammlung von Trams und Bussen, die dort Stadtrundfahrten machen. Darunter ist auch ein Oldtimer aus Wuppertal. Er gehört zu den ersten elektrischen Wagen der Talbahn aus dem Baujahr 1895, die technisch nicht überzeugend waren. Neun davon gingen 1910 an die Schweriner Straßenbahn. Über nicht bekannte Wege landete dann einer, des Antriebes beraubt, in Posen – heute mustergültig als „Päädsbahn“ restauriert!

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