Rundschau-Interview mit Uwe Schneidewind OB: „Eine Welle der Zustimmung hatte ich nie“

Wuppertal · Seit drei Jahren und drei Monaten ist Uwe Schneidewind Wuppertals Oberbürgermeister. Die Amtszeit des Grünen, der als Nicht-Politiker ins Rathaus gewählt wurde, läuft noch bis zum Herbst 2025, wenn parallel auch die Kommunalwahl stattfindet. Die Rundschau-Redakteure Roderich Trapp und Stefan Seitz sprachen mit Schneidewind über (s)eine Bilanz, Ausblicke und Schwerpunkte.

Oberbürgermeister Uwe Schneidewind.

Oberbürgermeister Uwe Schneidewind.

Foto: Christoph Petersen

Rundschau: Wenn Sie in die nächste Zukunft schauen: Was liegt dann vor allem an?

Schneidewind: „Wuppertal braucht Stabilisierung. Mit der Wahl eines neuen Kämmerers, einer neuen Personaldezernentin und einer neuen BUGA-Geschäftsführerin konnte schon viel auf die Schiene gesetzt werden. Nun stehen drei weitere, sehr wichtige Personalentscheidungen vor der Tür, deren Besetzung angesichts der Frage, wie sich Wuppertal entwickelt, für viele Jahre Bedeutung haben wird. Die drei Dezernate für Stadtentwicklung, Soziales und Umwelt umfassen Sektoren einer Stadt, in denen sich Zukunft entscheidet. In der Stadtspitze braucht Wuppertal deswegen ein konstruktiv und professionell arbeitendes Team. Und zwar auch eines, das widerstandsfähig gegenüber allem ist, was beispielsweise die Kommunalwahl an Überraschungen oder Risiken birgt.“

Rundschau: Ein sehr emotionales Thema, das viele Menschen wütend macht, ist der Zustand der Elberfelder Innenstadt ...

Schneidewind: „Ja, und darum muss da jetzt schnell ein anderer Zug hinein. Es muss klar sein, dass der Verwaltungsspitze und dem WSW-Vorstand nicht egal ist, was in der City passiert. Wie es in der Poststraße und ihrem Umfeld aussieht, das ist erfahrbare städtische Realität. Wenn die Menschen bald live sehen, dass hier Maßnahmen zur Kommunikation und Verschönerung greifen, ist das auch ein Test dafür, dass Demokratie funktioniert. Das ganz fatale Gefühl der Ohnmacht muss überwunden werden.“

Rundschau: Nicht weit von dort entfernt steht nun ein leeres Kaufhof-Gebäude. Welche Signale gibt es dafür?

Schneidewind: „Ich bin angesichts intensiver Gespräche mit dem Eigentümer der Immobilie sicher, dass wir schon in den nächsten Wochen mehr wissen. Aber natürlich sind da viele Bälle im Spiel. Der Einzug einer Schule oder der Stadtbibliothek ins Kaufhof-Gebäude, eine neue Einzelhandelsnutzung, vieles ist denkbar. Am Ende ist das Ganze aber natürlich eine ökonomische Frage, die ohne den Eigentümer nicht zu beantworten sein wird.“

Rundschau: Vor dem Kaufhof liegt der Neumarkt, und wer Neumarkt sagt, spricht auch vom Platz am Kolk. Die Marktbetreiber wollen von dort wieder zurück auf „ihren“ Neumarkt. Was sagen Sie dazu?

Schneidewind: „Die Stadt ist selbstverständlich gesprächsbereit. Eine Rückkehr auf den Neumarkt ist aber nur denkbar, wenn sich der Wochenmarkt qualitativ völlig anders und deutlich hochwertiger als heute präsentiert. Und die Marktstände müssten definitiv komplett mobil sein, um den Neumarkt für Veranstaltungen schnell räumen zu können.“

Rundschau: All diese Themen gehören zum lokalen Tagesgeschäft. Haben Sie damit gerechnet, dass sich die politische Realität in Wuppertal so anfühlt?

Schneidewind: „Das ,Fremdeln‘ der Politik mit jemandem von außen habe ich unterschätzt. Dabei hatte sich ja die Mehrheit der Stadtgesellschaft bei der OB-Wahl für diesen „Fremden“ entschieden. Draußen, und das meine ich bundesweit, ist man sehr beeindruckt, was in Wuppertal alles geht. Hier vor Ort aber ist der Eindruck, dass der OB Uwe Schneidewind das Schlimmste sei, was Wuppertal je passieren konnte. Es fühlt sich manchmal so an, als solle dieser ,Störfaktor‘ so schnell wie möglich wieder entfernt werden. Die Gefahr dabei ist, dass die Politik der Zukunft eine extrem ins Gestrige Weisende werden kann.“

Rundschau: Gibt es nicht auch Positives?

Schneidewind: „Die Verwaltung! Sie ist die positiveste Überraschung, die ich erlebt habe. Dort arbeiten zahlreiche Menschen voller Gestaltungs- und Zukunftswille. Aber die Stadtverwaltung leidet unter völligem Misstrauen durch die Politik. Das ist ein fast schon feindliches Verhalten. Die Politik in Wuppertal hat keinen Experimentiermut. Das Wort ,Experiment’ ist ja fast schon zum Kampfbegriff geworden. Mir kommt es vor, als solle quer durch die Parteien möglichst alles Alte erhalten bleiben. Für einen Oberbürgermeister, dem die zukünftige Entwicklung und Gestaltung der Stadt wichtig sind, ist das extrem fatal.“

Rundschau: Für Wuppertal zählt das Geld. Kann sich die Stadt Projekte wie das Pina-Bausch-Zentrum und die BUGA leisten?

Schneidewind: „Man muss das auch einmal in die echte Relation setzen. Wuppertal hat in den nächsten fünf Jahren ein Investitionsprogramm von einer Milliarde Euro. Das Pina-Bausch-Zentrum und die BUGA werden gewaltige Positiv-Effekte haben. Deswegen wäre Verhinderung auch ökonomisch extrem falsch. Jetzt geht es darum, die Beteiligungen von Bund und Land zu stabilisieren sowie bei der BUGA die privaten Finanzierungsbausteine zu konkretisieren. Außerdem müssen diese Projekte für die Menschen anfassbar gemacht werden.“

Rundschau: Wie sieht es eigentlich mit der Neubesetzung der Führung der Wirtschaftsförderung aus?

Schneidewind: „Da werden wir schon in Kürze eine erfreuliche Personalie melden können.“

Rundschau: Und das „ewige“ Thema einer Klärung der Altschuldenfrage?

Schneidewind: „Ich habe den Eindruck, dass Bund und Land so sehr mit den Geldverteilungen auf ihrer Ebene beschäftigt sind, dass die Probleme verschuldeter Kommunen einfach kaum eine Rolle spielen. Und eine schlechte Altschuldenlösung macht alles nur noch schlimmer oder führt für eine Stadt wie Wuppertal höchstens zu plus/minus null. Ganz wichtig wäre, dass völlig neu geregelt wird, was Kommunen in Sachen Soziales oder Kinder- und Jugendhilfe bezahlen müssen. Und wenn man sich das Bürokratie-Monster anschaut, das jetzt mit dem Cannabis-Gesetz auf die Kommunen zukommt, kann ich nur sagen: Das brauchen wir jetzt nicht auch noch.“

Rundschau: In Ihrem Verantwortungsbereich liegt das städtische Gebäudemanagement (GMW). Wegen dessen Neuaufstellung stecken Sie viel Kritik ein.

Schneidewind: „Wenn jemand diesen Prozess besser kann als ich, dann bitte! Es war für mich eine der ernüchterndsten Erfahrungen, wie desolat die Strukturen des alten GMW waren. Jetzt gibt es viele gute Signale, dass das GMW Stück für Stück besser wird. Für die Zukunft plädiere ich für einen starken Privatisierungsschub. Private Investoren sollten viel öfter öffentliche Bauten, wie etwa Schulen, errichten, die die Stadt dann mietet. Das ist insgesamt kostengünstiger und geht viel schneller. Bei Privaten wird auf jeden Euro geschaut und es ist auch jeden Tag jemand auf der Baustelle.“

Rundschau: In der öffentlichen Meinung klingt die Melodie ja oft so: „Der OB ist an allem schuld.“ Nervt Sie das?

Schneidewind: „Eine Welle der Zustimmung hatte ich nie. Aber ich wollte ja nicht als OB gefeiert werden, sondern etwas bewegen. Wenn aber eine Kulisse nach dem Motto ,Der macht alles schlecht’ entsteht, dann schwindet der Gestaltungsspielraum.“

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