Ev. Kirchenkreis Der Nahostkonflikt auch im Wuppertaler Klassenzimmer

Wuppertal · Der Israel-Gaza-Krieg ist zum wichtigen Thema des Religionsunterrichts geworden. Schulreferentin Beate Haude vom Ev. Kirchenkreis Wuppertal hat die Lehrkräfte mit einer digitalen Fortbildungsreihe unterstützt.

 Schulreferentin Beate Haude.

Schulreferentin Beate Haude.

Foto: Sabine Damaschke

Nach dem Angriff der Hamas auf Israel hat das Schulreferat schnell eine Zoom-Reihe zum Thema „Schule und Nahost“ für Lehrkräfte angeboten. War Ihnen direkt klar, dass dieser Terroranschlag viel Zündstoff in die Schulen bringen würde?

Haude: „Ja. Der Religionsunterricht hat schon inhaltlich wegen des christlich-jüdischen Dialogs in der Theologie einen engen Bezug zum Judentum. Die Geschichte des Nationalsozialismus ruft den Religionsunterricht ebenfalls auf den Plan. Vor allem aber ist es ja so, dass wir nicht nur evangelische Schülerinnen und Schüler im Reliunterricht haben, sondern auch muslimische oder agnostische Kinder und Jugendliche. Wir wollen miteinander reden, Standpunkte erwägen, Haltungen entwickeln, Fakten auswerten.

Versuchen Sie das mal beim Thema ,Israel‘. Da fliegt einem sofort alles um die Ohren, weil alle Themen sich vermischen und eine Emotionalität da ist, die man so vorher nicht kannte. Das betrifft übrigens alle Jugendlichen, auch die evangelischen. Religiöse, historische und politische Themen geraten durcheinander.“

In welchen Fragen haben sich die Lehrerinnen und Lehrer Unterstützung vom Schulreferat gewünscht? Was hat sie besonders beschäftigt?

Haude: „Unsere erste digitale Fortbildung lief noch in den Herbstferien, weil wir fanden, dass es nicht leicht sein würde, am ersten Schultag vor die Klassen zu treten, ohne das Thema aufzugreifen, das überall in der Luft lag. Die Lehrerinnen und Lehrer fragten sich vor allem, ob und wie man ins Gespräch mit denjenigen kommen könnte, die Palästina als unterdrücktes Land sehen. Die Fortbildung, die in Kooperation mit unseren Nachbarschulreferaten stattfand, war stark besucht wie unsere ganze Reihe mit insgesamt knapp 200 Teilnehmenden.“

In den Veranstaltungen mit verschiedenen Referentinnen und Referenten ging es Beispiel darum, wie Lehrerinnen und Lehrer im Unterricht mit Emotionen und verletzenden Äußerungen umgehen und über das Verhältnis von Religion und Politik, Terror und Schutz reden können. Was waren hilfreiche Tipps?

Haude: „Gleich in der ersten ZOOM-Veranstaltung riet unser Referent, der langjährige Israelkenner und Theologe Rainer Stuhlmann, man solle zunächst nur mit den Emotionen im Klassenraum arbeiten. Dass jeder von seiner Betroffenheit, seiner Aufregung sprechen können sollte, ohne andere zu verletzen. In der Situation gleich nach dem 7. Oktober war das eine wertvolle Anregung. In den späteren ZOOMs waren vor allem klare Sachinformationen zur Weiterarbeit gern gesehen.“

Religionslehrerinnen und -lehrer sind häufig auch Vertrauenspersonen für die Schülerinnen und Schüler. Welche Auswirkungen hat der Krieg in Israel auf den Umgang der Kinder und Jugendlichen miteinander?

Haude: „Der Krieg spaltet eindeutig. Nicht nur die Schülerinnen und Schüler. Wir haben deshalb oft und gern auf die sehr gute Rede von Robert Habeck verwiesen, der klar stellte, welche Phänomene einfach nicht gehen – wie Judenfeindschaft – und in welcher Hinsicht Diskussion durchaus nötig ist – etwa bei politischen Strategien.“

Welche Erwartungen sind an die Religionslehrerinnen und -lehrer von Seiten der Schulen etwa als Mediatoren gestellt worden?

Haude: „Eine Lehrerin sagte mir auf die Frage, wie man an ihrer Schule mit dem Überfall der Hamas umgehe, das habe man den Religionslehrerinnen und -lehrern überlassen. Es gilt also wie immer: Das scheinbar kleine“ Fach Religion ist mit seinen Lehrerinnen und Lehrern in existentiellen Situationen sehr angefragt, ähnlich wie nach dem Tod eines Menschen aus der Schulgemeinde.

Zur Rolle der Religionslehrkräfte kann ich eine starke und ermutigende Beobachtung teilen: Während in manchen Schulen die Wellen hochschlugen und SchülerInnen die Frage stellten, auf welcher „Seite“ die LehrerInnen stünden, habe ich in unseren ZOOM-Veranstaltungen durchweg die Erfahrung gemacht, dass die Religionslehrkräfte eine gewisse Demut beim Thema ,Israel‘ mitbrachten.

Niemand von uns hat Patentlösungen für den Nahostkonflikt im Klassenzimmer, wohl aber dürfen sie sich trauen darauf hinzuweisen, dass Frieden das große Ziel sein sollte, dass es Menschen gibt, die sich als Israelis und Palästinenser dafür seit Jahren einsetzen.“

Der Nahost-Konflikt hat eine lange Geschichte. Welche Rolle hat er und die Geschichte Israels im Reliunterricht bislang gespielt – und sollte er Ihrer Ansicht nach künftig spielen?

Haude: „Es ist nicht möglich, sich mit Israel zu beschäftigen, ohne die Traumata seiner EinwohnerInnen zu sehen. Zugleich ist es sinnlos, diese mit den Traumata der PalästinserInnen aufrechnen zu wollen. Wir Deutschen sind im Nahostkonflikt gewiss nicht die Berufenen für Besserwisserei. Wir sollten uns fragen, welchen Anteil wir daran haben, dass Gottes Volk Israel weiterhin seinen Weg gehen kann.

Ich meine aber, wir sollten im Religionsunterricht nach wie vor die schlichte Frage stellen: Welchen Anteil habe ich daran, dass Gottes Volk Israel auch weiterhin seinen Weg gehen kann? Und wir sollten und dürfen uns trauen, von jüdischen und von muslimischen Freundinnen und Freunden zu sprechen. Wir dürfen uns trauen, klare Kante gegen Judenfeindschaft zu zeigen, ohne deshalb Gespräche mit Leuten abzubrechen, die nicht unserer Meinung sind. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Religionslehrerinnen und -lehrer Ohnmacht auch in Weisheit verkehren können – fast wie der biblische Paulus.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort