Interview mit Markus Hilkenbach WSW-Chef: „Die Schwebebahn muss fahren“
Wuppertal · Seit fast exakt einem Jahr ist der 46-jährige studierte Betriebswirt Markus Hilkenbach oberster Chef der Wuppertaler Stadtwerke. Der verheiratete Vater zweier Töchter war zuvor Doppel-Geschäftsführer der Stadtwerke von Coesfeld und Borken sowie Chef der Coesfeld-Borkener Service GmbH Emergy. Roderich Trapp und Stefan Seitz sprachen mit Hilkenbach über sein erstes Wuppertal-Jahr – und seine WSW-Zukunftspläne.
Rundschau: Wie war das erste WSW-Jahr für Sie?
Hilkenbach: „Eigentlich gut, aber natürlich ganz anders als ich es mir vorgestellt hatte. Ich sage nur: Kohleausstiegsgesetz, Corona, Schwebebahn. Aber in Krisenzeiten lernt man sich innerhalb eines Unternehmens besser und schneller kennen. Die ersten Monate konnte ich ja ohne Corona noch gut nutzen, um mich in den unterschiedlichsten Abteilungen der WSW mit ihren rund 3.300 Mitarbeitern vorzustellen.“
Rundschau: Wie empfinden Sie die Menschen in Wuppertal?
Hilkenbach: „Ich bin gebürtiger Dortmunder und habe zuletzt lange im Münsterland gelebt und gearbeitet. Die Wuppertaler sind ehrlich und offen. Das gefällt mir, das passt zu mir, und das bekommt man von den Menschen auch zurück.“
Rundschau: War Ihnen bewusst, mit welch starken Emotionen die Schwebebahn in Wuppertal verbunden ist?
Hilkenbach: „Theoretisch schon. Aber im wirklichen Erleben ist es doch ein Unterschied zu spüren, dass es da um viel mehr geht als ,nur’ ein Verkehrsmittel. Deswegen entschuldige ich mich aufrichtig bei den Menschen dieser Stadt für den so lang anhaltenden Schwebebahn-Ausfall. Ganz ohne Schuldzuweisung ist aber klar, dass bei uns und auf der Seite des Herstellers enorm viel passiert ist, um am Ende das ganz wichtige Ergebnis zu erzielen: Die Schwebebahn muss in Zukunft verlässlich fahren! Dafür arbeiten Hersteller, Zulieferer und WSW engagiert und motiviert.“
Rundschau: Wird es denn beim Wiederstart-Termin der Schwebebahn im Sommer bleiben?
Hilkenbach: „Alles ist auf den Sommer ausgelegt. Ich habe auch keine Indikatoren dafür, dass es zum Sommer nicht klappt.“
Rundschau: Während des ersten Lockdowns im Frühjahr gab es starke Kritik an den Stadtwerken, weil damals der Fahrbetrieb der Busse deutlich schrumpfte.
Hilkenbach: „Zugegeben, hinterher ist man immer schlauer. Aber bei der Abwägung des Schutzes der Kollegen und Fahrgäste sowie bei der Frage nach Frequenzen und Abstandhalten mussten sich alle Stadtwerke seinerzeit auf ganz neue Situationen einstellen. Wir haben dazugelernt und fahren jetzt, im zweiten Lockdown, wieder im Normalbetrieb, obwohl wir 50 Prozent weniger Fahrgäste haben. Andere Verkehrsunternehmen haben ihr Angebot deutlich reduziert. Ich möchte auch noch eine sehr erfreuliche Zahl nennen: Trotz rund 3.300 Menschen, die bei den WSW arbeiten, hatten wir bis heute nur einen einzigen Fall, bei dem sich Mitarbeiter im Unternehmen angesteckt haben.“
Rundschau: Welchen Stellenwert hat das Thema Homeoffice?
Hilkenbach: „1.000 Mitarbeiter haben die technische Voraussetzung für Homeoffice, rund 50 bis 70 Prozent sind es, die es in Anspruch nehmen. Die Mehrheit der Beschäftigten ist aber draußen, und muss auch draußen sein. Insgesamt darf man nicht vergessen, dass während der gesamten Corona-Zeit die Versorgung Wuppertals mit Strom, Gas, Wasser und auch mit funktionierendem ÖPNV immer funktioniert hat. Da ist überall ein sehr guter Job gemacht worden. So etwas ist kein Selbstläufer.
Die Finanzierung des ÖPNV steht immer wieder auf dem Prüfstand. Eine Idee dazu ist das „Solidarische Bürgerticket“. Was halten Sie davon?
Hilkenbach: „Da beteiligen wir uns gerne an der Lösungsfindung, aber aus unserer Sicht gehört die Debatte über ein solches Bürgerticket zunächst in die politische Diskussion. Die Stadtwerke sind ja Auftragnehmer und Dienstleister. Wir sind mit der Stadt in guten Gesprächen mit Blick auf die Zukunft des ÖPNV. Es geht um emissionsfreie Busse, moderne Werkstätten, betriebswirtschaftliche Ausrichtungen.“
Rundschau: Wohin soll die Zukunft der WSW sich entwickeln? Auch mit Blick auf Mitbewerber, die mit Wechselangeboten für Strom und Gas locken.
Hilkenbach: „Es geht darum, mit attraktiven Produkten zu überzeugen. Das funktioniert auch. Wuppertal ist anders als anonyme Großstädte, hier haben sich die Menschen immer zwei, drei hoffentlich gute Geschichten über die WSW zu erzählen. Wir wollen hier vor Ort der Infrastrukturdienstleister unter dem Motto „alles aus einer Hand und von Anfang an“ werden. Das gilt für Privathaushalte, fürs Gewerbe und für die Industrie. Ich wünsche mir, dass die WSW ihre Kunden als Einheit sehen, sowohl in Sachen ÖPNV als auch bei der Versorgung. Der Plan ist, zukünftig alle WSW-Produkte unter einer Flagge mit kompetenten Ansprechpartnern anzubieten. Mit einer immer gleichen Kundennummer für alle WSW-Produkte. Wo WSW drauf steht, soll auch WSW drin sein. Egal, um was es gerade geht. Solch eine lokale Stärke und Identifikation kann kein bundesweit agierender Wettbewerber leisten. Diese Stärke müssen wir ausspielen und noch sichtbarer machen.
Rundschau: Ihre Beteiligung am Kohlekraftwerk in Wilhelmshaven: Inwieweit hemmt Sie die?
Hilkenbach: „Der politische Rahmen steht. Der Kohleausstieg ist beschlossen, und wir wollen den Kohleausstieg auch. Die Frage ist, wie der Weg dahin funktioniert. Wenn das Wilhelmshavener Werk zwischen 2035 und 2038 vom Netz geht, könnte man das wirtschaftlich verkraften. Wichtig ist, dass beim Thema vorzeitiger Ausstieg die Branche und die Politik aufeinander zugehen. Mit dem Blick nach vorne ist für uns viel wichtiger, was wir zur Energiewende in Wuppertal beitragen können.“
Rundschau: Haben Sie sich eigentlich geärgert über die „bösen“ Themen, die Sie als Neuer in Wuppertal geerbt haben?
Hilkenbach: „Mit so etwas muss man rechnen, wenn man neu anfängt. Mitgefangen, mitgehangen. Aber ich sehe sehr viel Positives: Das Unternehmen schlägt sich bravourös in der Corona-Krise und geht gleichzeitig mit vollem Elan künftige Herausforderungen an. So stellen wir uns zum Beispiel bei der Digitalisierung zum Nutzen unserer Kunden ganz neu auf.
Rundschau: Was halten Sie von mehr bergischer Kooperation unter den regionalen Stadtwerken?
Hilkenbach: „Ich bin dafür. Die wichtigen Stadtwerke-Themen sind überall gleich. Es nützt nichts zu sagen, das kann ich alles allein. Ich plädiere für mehr Effizienz ohne große Fusionitis.“