Beate Haude (Ev. Kirche) Religion in Schulen: „Müssen ins Gespräch kommen“

Wuppertal · Die einen sind streng religiös, die anderen kennen ihre Religion nicht mehr: Im Schulalltag prallen oft Welten aufeinander. Wie damit umgehen? Ein Gespräch mit Schulreferentin Beate Haude.

Schulreferentin Beate Haude.

Schulreferentin Beate Haude.

Foto: Sabine Damaschke

Über das Thema der Religionsausübung an Schulen wird gerade wieder öffentlich diskutiert. Warum?

Haude: „Welche Rolle Religion in der Schule spielen soll und kann, ist im Grunde ein Dauerthema. Das Kreuz im Klassenraum, der Gebetsraum für muslimische Schülerinnen und schüler, das Kopftuch bei Lehrerinnen – all das hat schon vor Jahren für starke Diskussionen in der Öffentlichkeit gesorgt. Kürzlich machte ein Fall in Neuss Schlagzeilen, bei dem junge Muslime Mitschüler unter Druck gesetzt haben sollen, sich streng religiös zu verhalten. Das galt dann als Beleg dafür, dass es einen allgemeinen Trend zu mehr fundamentalistischer Religiosität unter Jugendlichen gibt.

Mit solchen Aussagen sollten wir vorsichtig umgehen. Aber es ist klar, dass in der Schule täglich Kinder und Jugendliche aus Elternhäusern mit unterschiedlichsten Haltungen und Weltanschauungen aufeinandertreffen und sich hier Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens direkt stellen.“

Sollte eine Schule nicht jederzeit neutral und religionslos sein?

Haude: „In öffentlichen Schulen gilt das Primat des schulischen Bildungs- und Erziehungsauftrags. Das bedeutet: Die grundlegende Organisation der Schule wird nicht an religiösen oder sonstigen Grundbedürfnissen ausgerichtet und schulische Inhalte oder Aufgaben können nicht aus religiösen Gründen abgelehnt werden. Das finde ich bei allem Recht auf Religionsausübung auch richtig.

Aber ich plädiere dafür, Schule als einen lebendigen Diskursraum zu gestalten, in den Menschen ihre unterschiedlichen Haltungen, Werte und Positionen einbringen. Dort sollten offene Gespräche möglich sein und das ist ohne die eigene Religiosität nicht realistisch. Dadurch entsteht eine ungesunde Spannung, die sich an anderer Stelle entlädt.“

Diskussionen über Religion zu führen, ist aber gar nicht so einfach, wenn streng religiöse Schülerinnen und Schüler auf andere treffen, die mit ihrer Religion nichts mehr anfangen können.

Haude: „Gerade deshalb ist es ja so wichtig, das Thema Religion und Religionsausübung nicht zu verschweigen oder mit Verboten zu belegen. Religiöse Besonderheiten, soweit sie nicht zur Machtausübung missbraucht werden, sollten in der Schule respektiert werden. Gleichzeitig müssen auch Fromme Toleranz gegenüber dem Wertfreiheitsanspruch einer Schule lernen. Vielleicht ist es eine der wichtigsten allgemeinen Bildungsaufgaben, mit Widersprüchen und Dissensen im Alltag konstruktiv umzugehen.

Ich nehme wahr, dass heutzutage zu oft Unwohlsein entsteht, wenn mehr als eine Meinung im Raum steht. Aber zum Leben gehört es nun mal, viele Stimmen zu hören, auch solche, die man ablehnt. Vielleicht ist die Diskussion kein Allheilmittel, aber doch ein äußerst nützliches Sprachspiel.“

Welche Rolle spielt dabei der Religionsunterricht?

Haude: „Die Didaktik unseres Religionsunterrichts ist schon lange nicht mehr nur Vermittlung von Glaubensinhalten. Vielmehr geht es auch darum, das Eigene mit dem Fremden zu vergleichen, sprach- und dialogfähig zu werden, zwischen Abgrenzung und Toleranz entscheiden zu lernen. Wenn die vielzitierte Kompetenzorientierung irgendetwas gebracht hat, dann das.

Im Hause des Herrn sind viele Wohnungen, heißt es in der Bibel, das bedeutet aber nicht, dass sie beliebig belegt werden können. Ich meine, dass dem Religionsunterricht eine sehr wichtige Rolle bei der Begegnung der Religionen zukommt. Dort ist Platz für Fragen und es ist unschätzbar, Lehrkräfte mit ordentlicher universitärer Ausbildung zu haben.“

Wie konkret lässt sich die Begegnung der Religionen im Schulkontext denn gestalten?

Haude: „Nehmen wir die jetzige Passionszeit. Sie bietet eine gute Möglichkeit, das Thema Fasten anzusprechen. Eine aktuelle Umfrage der Krankenkasse DAK hat ergeben, dass immer mehr junge Menschen fasten, aber nicht alle aus religiösen Gründen. Manchmal dient das Fasten auch dem Ausprobieren von Verzicht. Schülerinnen und Schüler aus muslimischen Familien dagegen nehmen den Fastenmonat Ramadan, der am 16. März beginnt, als religiöse Lebensäußerung ernst.

Über Gemeinsamkeiten und Unterschiede lässt sich also sehr konkret reden. Oder das Beispiel Feste ganz allgemein: In einigen Grundschulen wird in der Weihnachtszeit Advent gefeiert, aber zu seiner Zeit auch dem islamischen Zuckerfest oder dem Fastenbrechen Raum gegeben.

Das ist die große Chance des Religionsunterrichts: Dort sind evangelische und katholische Bekenntnisse – aber auch andere – ausdrücklich erlaubt, so dass echte Begegnung möglich wird und ein wirkliches Interesse aneinander entstehen kann.“

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