Auf dem Werth in Barmen Neues Museum: „Ein bedeutender Lernort“

Wuppertal · Am Werth 91 steht es schon im Fenster: Hier soll die Sammlung des ehemaligen Schulmuseums eine neue Heimat finden - ein Museum für „Gesellschafts- und Umweltgeschichte“ – mitten in der Barmer City. Derzeit arbeitet die Historikern Melody Kusserow an dem Konzept. Mit Redakteurin Nina Bossy spricht die 32-Jährige über den aktuellen Stand, ihre Vision und alltägliche Herausforderungen.

Die Historikerin Melody Kusserow ist in Wuppertal geboren und aufgewachsen. Ihre Highlights in der Sammlung: Ein Tellurium, also ein geographisch-astronomisches Modell, mit dem die Abläufe im Sonnensystem simuliert werden können, und ein Präparat eines Nasenbärs.

Die Historikerin Melody Kusserow ist in Wuppertal geboren und aufgewachsen. Ihre Highlights in der Sammlung: Ein Tellurium, also ein geographisch-astronomisches Modell, mit dem die Abläufe im Sonnensystem simuliert werden können, und ein Präparat eines Nasenbärs.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Nina Bossy

Rundschau: Frau Kusserow, wie sind Sie und das Museum zusammengekommen?

Kusserow: „Das war 2018 durch meinen ehemaligen Geschichtslehrer Klaus Jankowski, der im einstigen Schulmuseum in Vohwinkel den historischen Unterricht für die Grundschulklassen organisierte und durchführte. Er erzählte mir, dass das Museum aufgelöst würde, weil es einen Raum an die benachbarte Ulle-Hees-Schule abgeben musste und der ehemalige Leiter Rolf Platte sein Amt niederlegen wollte. Ich kannte die Sammlung bereits von zwei Besuchen und entschloss mich, zu schauen, ob ich etwas tun könnte.“

Rundschau: Dann haben Sie die Sammlung gesichtet. Gerümpel oder Schätze – was war Ihre Einschätzung als Historikerin?

Kusserow: „Gerümpel gab es sicher auch. Mehrheitlich aber tatsächlich Objekte von überraschend hoher Qualität. Zunächst gab es einzelne Objekte, die mir sofort ins Auge stachen. Dann wurde mir ziemlich schnell klar, dass die Sammlung als Ganzes einen enormen Wert hat. Denn sie geht dabei weit über das hinaus, was in schulhistorischen Sammlungen normalerweise zu finden ist. Allein die Anzahl naturhistorischer Objekte, aber auch deren Wert und Qualität ist enorm – da kamen sofort Assoziationen mit der Fuhlrott-Sammlung auf. Aber auch das, was wir an technischen Geräten haben, hat Seltenheitswert.“

Rundschau: Aus dem Schulmuseum wird ein Museum für Gesellschafts- und Umweltgeschichte. Was für eine Art Ausstellung konzipieren Sie?

Kusserow: „Eine interdisziplinäre Ausstellung, die sich zwischen Naturhistorie und Gesellschaft bewegt. Der Besucher wird mitgenommen auf eine Zeitreise von den Anfängen der Menschheit bis in die Gegenwart. Die Ausstellung soll – das ist mir persönlich sehr wichtig – den Besucher abholen und mitnehmen. Wer uns besucht, kann die Vergangenheit in der Ausstellung nicht nur sehen, sondern auch hören, riechen und anfassen.

In dieses Erlebniskonzept passt auch das historische Klassenzimmer wieder wunderbar hinein. Es zieht naturgetreu nachgebaut ins Untergeschoss und dient dort einerseits der Museumspädagogik, andererseits als Mehrzweckraum, der auch für Veranstaltungen nutzbar sein wird. Schulgeschichte ist damit zwar nur noch am Rand ein Thema, aber ein wichtiges, das einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf unsere Gesellschaft hat. Nirgendwo sonst schlägt sich das Menschenbild einer Gesellschaft mehr nieder als in der Schulbank. Zwischen Rohrstock und freiem Lernen liegt eine ganze Welt.“

Rundschau: Das Museum soll in die Räume am Werth 91 einziehen. Welche Herausforderungen stellen sich dort und welche Chancen?

Kusserow: „Die Räume sind sehr klein für das Projekt. Auf nur rund 500 Quadratmetern eine moderne, didaktisch wertvolle Dauerausstellung, ein historisches Klassenzimmer und eine Fläche für Wechselausstellungen unterzubringen, ist herausfordernd. Zusätzlich soll das Museum nach Möglichkeit auch barrierefrei sein. Bildung ist wichtig, Inklusion ist wichtig, aber Geld dafür zu organisieren, erfordert Hartnäckigkeit.

Die größte Chance bietet das Museum für die Innenstadt. Einzelhandelsgeschäfte werden weniger werden. Um Innenstädte dauerhaft attraktiv zu gestalten, braucht es Kultur und Orte der Begegnung. Das Museum stellt nicht nur einen bedeutenden außerschulischen Lernort dar, sondern bietet auch eine Kulturbühne für Veranstaltungen. Solche Orte machen Innenstädte auch in Zukunft zu attraktiven Wohnquartieren und zu touristischen Anziehungspunkten. Wo Wohnen und Sightseeing attraktiv sind, steigt die Lebensqualität und es gedeiht Gastronomie. Davon haben am Ende alle was - auch die Stadtkasse.“

Rundschau: Welche Bedeutung könnte das Museum für Wuppertal und die Region haben?

Kusserow: „Eine große. Das Konzept mit seiner Ausstellung ist ziemlich einzigartig. Interdisziplinarität ist zwar im Kommen, aber bisher gibt es erst wenige Konzepte dazu. Europaweit ist meiner Kenntnis nach Wien derzeit die einzige Stadt, die eine ähnliche Zusammenlegung von Geschichte und Naturhistorie prüft.

Ich kann mir vorstellen, dass das Museum ein überregionaler Anziehungspunkt wird. Allein für den historischen Schulunterricht kämen etwa 400 Schulklassen jährlich in die Einrichtung. Bereits jetzt existiert eine lange Warteliste von Interessenten, die ich wieder vertrösten muss. ,Schule früher‘ steht als Thema im Lehrplan und das Interesse ist enorm. Die neue Dauerausstellung wird dem sicher in nichts nachstehen.“

Rundschau: Ein riesiges Projekt, das finanziert werden will. Wer trägt die Kosten für das Konzept, den Umbau und die Neuanschaffungen?

Kusserow: „Die laufenden Kosten wie Strom, Gas, Wasser und Miete werden von der Stadt übernommen, ebenso die Umzugskosten. Das Konzept, den Umbau sowie Neuanschaffungen, bezahlt derzeit niemand. Es gibt den gemeinnützigen ,Förderverein der Schulhistorischen Sammlung der Stadt Wuppertal‘, dessen erste Vorsitzende ich bin, aber wir haben unsere Arbeit erst im vergangenen Jahr aufgenommen und wenig auf dem Konto.

Alles, was derzeit an Arbeit in das Museum fließt, passiert ehrenamtlich – auch die Konzeption und die Betreuung der Räume. Letztlich wird das Museum nach Eröffnung gutes Geld einspielen und halbwegs kostendeckend arbeiten können, aber bis es soweit ist, muss eine Investition erfolgen, die mindestens eine Stelle über zwei Jahre absichert und die notwendigen Anschaffungen wie Ausstellungsarchitektur und Technik finanziert.

Ich habe mir wirklich gute Lösungen einfallen lassen, um die Kosten möglichst niedrig zu halten, aber die Ausgaben kann der Verein nicht selbst tätigen. Seitens der Stadt besteht zum Glück Interesse im Rahmen des ,Kulturteppich Barmen‘ Kultur am Werth zu fördern, und wir haben auch politisch Rückhalt. Daher habe ich die Hoffnung, dass es das Museum in den diesjährigen Haushalt schafft.

Rundschau: Wenn das Museum es in den Haushalt schafft – wann könnten Sie eröffnen?

Kusserow: „Das kommt darauf an, wie viel das Museum bekommt. Als Beispiel: Ich bin jetzt seit vier Jahren in dem Thema und kenne die Sammlung. Wenn ich es mir leisten könnte, ab morgen Vollzeit daran zu arbeiten, würde ich ein Jahr brauchen, um die Ausstellung fertigzustellen - gesetzt den Fall, ich bekomme Handwerker, das Geld reicht für alle Anschaffungen und es läuft alles glatt.“

Rundschau: Wer trägt momentan die Kosten für Ihre Arbeit?

Kusserow: „Für meine? Ich selbst.“

Rundschau: Während die Zukunft noch sehr vage ist, investieren Sie viel Zeit in das Projekt. Was sind die Schwierigkeiten in der alltäglichen Projektbegleitung?

Kusserow: „Der zeitliche Aufwand geht manchmal an die Substanz. Ich investiere oft bis zu zwanzig Stunden die Woche in das Projekt. Hätten wir auf dem Werth nicht so eine tolle Unterstützung durch die ISG Barmen, das Team von Barmen Urban und das Kulturnetzwerk, wüsste ich nicht, wie wir manches bewältigen sollten. Aktuell haben wir beispielsweise einen Wasserschaden am Werth. Im Keller zieht das Wasser mindestens bis Knöchelhöhe die Wände hoch und keiner weiß, wo es herkommt.“

Rundschau: Wie ist die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung? Bekommen Sie Unterstützung aus dem Kulturdezernat?

Kusserow: „Es ist schwierig, da die Zuständigkeit zwischen Kulturdezernat und Schuldezernat hängt. Das ist aus der Tatsache entstanden, dass Rolf Platte als Gründer der Sammlung, Schulrat war und die Sammlung bis jetzt in einem Schulgebäude untergebracht war. Das Schuldezernat kümmert sich zwar nach seinen Möglichkeiten, aber das Verständnis für das Projekt fehlt, weil die Kompetenzen ganz woanders liegen.

Der Wert und der Umfang der Sammlung ist da nicht im Bewusstsein und auch nicht im Auftrag. Der Stadtbetrieb Schulen kümmert sich um Schulen, nicht um Museen. Da stehen wir verständlicher Weise in der Priorität nicht besonders weit oben. Mit dem Kulturdezernat habe ich leider eher wenig zu tun, da die Anbindung fehlt.“

Rundschau: Was würden Sie sich von der Stadtverwaltung ganz konkret wünschen?

Kusserow: „Dass das Projekt den Stellenwert bekommt, der seiner Bedeutung entspricht.“

Rundschau: Was macht Ihnen Mut und Hoffnung?

Kusserow: „Die Resonanz und Unterstützung, die das Projekt erfährt, und dass es trotz aller Hürden endlich vorangeht. Klar gibt es auch die Tage, an denen Rückschläge kommen, aber ich bekomme so viel positive Resonanz, dass es mit dem Teufel zugehen müsste, wenn da nichts draus wird. Seit Anfang vergangenen Jahres gibt es auch ein erstes externes Gutachten, das meiner Einschätzung der Sammlung folgt und aussagt, dass sie wertvoll und erhaltenswert ist und auch den LVR haben wir im Rücken.“

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