Vorstellung in Wuppertal Eine neue Bibel für alle Kinder

Wuppertal · Divers und rassismuskritisch ist die neue „Alle Kinder Bibel“, die am Dienstag (21. März 2023) in der Wuppertaler City-Kirche vorgestellt wurde. Ein Interview mit Sarah Vecera von der Vereinten Evangelischen Mission (VEM).

Autorin Sarah Vecera.

Autorin Sarah Vecera.

Foto: VEM

Warum war eine „Alle Kinder Bibel“ überhaupt nötig? Spricht die Bibel nicht alle Menschen an?

Vecera: „Die erste Idee für eine Alle-Kinder-Bibel ist abends am Kinderbett meiner vierjährigen Tochter entstanden. Als ich sie fragte, wie sie sich Gott vorstelle, sprach sie ganz selbstverständlich von einem weißen alten Mann mit Bart. Das war schon erstaunlich für mich, dass ausgerechnet mein Kind so ein Bild von Gott hatte, wo ich mich doch als Referentin bei der VEM für einen rassismuskritischen Blick in der Kirche einsetze.“

In der Tat kommen in gängigen Kinderbibeln überwiegend weiße Menschen vor und das obwohl die meisten Protagonistinnen und Protagonisten der biblischen Erzählungen People of Color waren. Und wenn man bedenkt, dass heute rund 42 Prozent aller Kinder unter sieben Jahren einen Migrationshintergrund haben, dann müsste das eigentlich auch in der Bibel repräsentiert werden.

Wir haben dann ab 2020 in einer Gruppe damit begonnen, Kinderbibeln zu sichten. Und haben dabei schnell festgestellt, dass das ,Weiß-Sein“‘ gar nicht das einzige Problem war. Später bildete sich eine Projektgruppe mit Menschen aus unterschiedlichen kirchlichen und universitären Kontexten. Die Kinderbibel entstand dann in einem zweijährigen Prozess, der von einer Expertinnen- und Expertengruppe unter Leitung der VEM begleitet wurde.“

 Das Cover der „Alle Kinder Bibel“.

Das Cover der „Alle Kinder Bibel“.

Foto: Verlag

Was haben Wie in den klassischen Kinderbibeln außerdem noch als problematisch empfunden?

Vecera: „In den Kinderbibeln kommen hauptsächlich Männer zu Wort. Frauen spielen in den Geschichten nur selten eine zentrale Rolle, obwohl die Frauen der biblischen Erzählungen für eine damalig stark patriarchale Umwelt sehr starke Rollen in der Bibel haben. Außerdem werden die Jünger häufig als Juden und ausschließlich männlich dargestellt, in dem sie zum Beispiel eine Kippa tragen. Jesus selbst trägt keine Kippa, um ihn weniger jüdisch wirken zu lassen.

Auch behinderte Menschen kommen in den klassischen Kinderbibeln ausschließlich im Heilungskontext vor. Da muss man sich doch die Frage stellen, was das mit behinderten Kindern macht. All diese Aspekte sind uns in der Projektgruppe negativ aufgestoßen, vor allem wenn man bedenkt, dass die Bibel in ihrer Ursprungsform sicherlich divers gedacht war.“

Was ist denn in der „Alle Kinder Bibel“ anders?

Vecera: „Gott wird nicht explizit als Mann benannt, wir sprechen nicht von Gott als ,er‘. Außerdem werden mehrere Themen in Wort und Bild in eine diverse Gesellschaft verlegt. Der Schöpfungsbericht ist vielfältig sensibel geschrieben: Gott schafft die Pole Tag und Nacht, Land und Meer, Frau und Mann – und dazwischen gibt es noch ganz viele Schattierungen.

In der .Alle Kinder Bibel‘ heißt es: Gott schafft Menschen, aber nicht in einer binären Form. Und auf den Illustrationen sind die Menschen weder weiß, noch mit Modelmaßen gezeichnet.

Ein ganz wichtiger Satz steht übrigens auf Seite 22 der neuen Kinderbibel: .Am 6. Tag schuf Gott die Tiere an Land und Menschen. Und alle waren verschieden und alle waren besonders.‘

Außerdem bekommen die Frauen in den Bibelgeschichten eine ganz zentrale Rolle, wie bei der Hebammen-Geschichte oder bei der Geschichte von Hagar. Und bei uns begegnet Hagar in der Wüste ein schwarzer Engel – auch das ist neu. Wichtig war uns auch, dass Kinder mit Behinderung in der .Alle Kinder Bibel‘ ganz selbstverständlich als Teil der Gesellschaft erscheinen und nicht ausschließlich im Heilungskontext.

 Die Arche.

Die Arche.

Foto: Verlag

Kann die neue Bibel Kindern andere Zugänge zu biblischen Geschichten eröffnen?

Vecera: „Wir leben in einer Migrationsgesellschaft, in der Mehrsprachigkeit und Mehr-Kulturalität selbstverständlich sind. Das ist längst die Realität in Kitas und auf Spielplätzen. Aber darauf hat unsere evangelische Kirche bisher noch nicht reagiert.

In der ,Alle Kinder Bibel‘ werden sich die Kinder und ihre natürliche Umwelt schneller wiederfinden, People of Color wie weiße Kinder. Daher kann die neue Kinderbibel sicherlich neue Zugänge eröffnen. Und sie kann ein Zeichen setzen mit der Botschaft: Ihr seid alle ein aktiver Teil unserer Gesellschaft und Kirche, Mehr-Kulturalität ist bereichernd.“

Was sagt Ihre Tochter zur neuen „Alle Kinder Bibel“?

Vecera: „Meine Kinder waren in den Schreibprozess und die Entwicklung eingebunden. Die neue Bibel entspricht viel mehr ihrer Lebensrealität. Sie würde sich eher wundern, wenn in ihren Kinderbüchern alle weiß wären. Aber uns ist es ganz wichtig, dass Diversität viel mehr ist als schwarz oder weiß – auch das soll die ,Alle Kinder Bibel‘ zeigen.“

Wie sind die ersten Reaktionen auf die neue Kinderbibel?

Vecera: „Die Mehrheit ist begeistert und die Nachfrage ist so groß, dass der Neukirchener Verlag über zwei Wochen vor Erscheinungsdatum die zweite Auflage in den Druck geben musste. Aber natürlich gibt es auch einige konservative ältere Stimmen, die das Projekt nicht gut finden.

Wir bemerken bei der VEM aber ganz grundsätzlich ein großes Interesse an Diversitäts-Themen. Für uns ist die Anti-Rassismus-Arbeit ein Querschnittsthema. Wir als VEM sind schließlich die einzige kirchliche Institution mit Sitz in Deutschland, die überwiegend von People of Color geleitet wird.“

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