Behörden „Dann war der Pass wieder da“

Wuppertal · Wie fühlt man sich als 16-jähriger Flüchtling, der seit zwei Jahren darauf wartet, seine Familie in Deutschland begrüßen zu dürfen? Und wie kommt es, dass sein verschwundenes Reisedokument just in dem Moment auftaucht, wo er es für die Ausreise benötigt?

 Symbolfoto.

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Foto: Rundschau / Max Höllwarth

Wie fühlt man sich als 16-jähriger Flüchtling, der seit zwei Jahren darauf wartet, seine Familie in Deutschland begrüßen zu dürfen? Und wie kommt es, dass sein verschwundenes Reisedokument just in dem Moment auftaucht, wo er es für die Ausreise benötigt?

Mit 14 Jahren kam Achmed* alleine nach Deutschland und ließ seine Familie in einem arabischen Land zurück, dessen Namen er lieber nicht verraten möchte. Achmed wollte in Wuppertal zur Schule gehen, hier sein Abitur machen und seine Familie so schnell wie möglich nachholen. Nun sind zwei Jahre vergangen, in denen er mit seiner Mutter, seinem Vater und seinen beiden kleinen Schwestern nur über Skype reden konnte.

Ein Jahr nach seiner Ankunft in Wuppertal erhielt er einen Termin für das Gespräch, das über seinen weiteren Aufenthaltsstatus entscheiden sollte. Denn erst nachdem der Status geklärt ist, können Anträge auf Familiennachzug gestellt werden. "Mir wurde gesagt, dass ich ungefähr drei Monate nach dem Gespräch einen Entscheid erhalten werde. Als ich dann über ein halbes Jahr lang nichts hörte, fingen mein Vormund und meine Betreuer an, bei der Ausländerbehörde nachzuforschen", erzählt Achmed. Es stellte sich heraus, dass sein Pass, den er nachweislich bei der Ausländerbehörde abgegeben hatte, plötzlich verschwunden war. Die Kopie des Ausweises lag zwar noch vor, reichte aber nicht aus, um einen Entscheid über seinen Aufenthaltsstatus zu fällen. Nach langem Hin und Her erhielt Achmed schließlich im August vorerst eine Aufenthaltsgenehmigung für ein Jahr. "Um meine Familie nachzuholen, brauche ich aber eine Genehmigung für mindestens zwei Jahre", erklärt er. In einem Jahr müsste er also erneut einen Antrag stellen — doch langsam läuft ihm die Zeit weg.

"Sobald er 18 Jahre alt ist, hat Achmed keinen Anspruch mehr auf Familiennachzug", erklärt seine Betreuerin Jule. Aus diesem Grund entschied Achmed sich schließlich, wieder zu seiner Familie zurückzukehren. "Ich wollte einfach nur so schnell wie es geht zurück", sagt er. Ein letztes Mal bat er die Ausländerbehörde, nach seinem Pass zu suchen, den er nun für die Ausreise aus Deutschland unbedingt benötigt. "Und auf einmal war der Pass wieder da", staunt nicht nur Achmeds Betreuerin. Binnen zwei Tagen erhielt Achmed nach seiner Anfrage die Meldung, dass sein Pass wieder da sei und zur Ausreise bereitliege. "Wie kann das sein", fragt seine Betreuerin immer noch fassungslos.

Bevor Achmed nun tatsächlich ausreisen kann, gilt es, eine letzte Hürde zu überwinden, denn der Pass muss noch verlängert werden. "Eine Verlängerung kostet 300 Euro. Es wäre allerdings noch teurer geworden, einen ganz neuen Pass zu beantragen."

Achmed selbst hat mittlerweile keine Geduld mehr und wartet nur noch darauf, endlich ins Flugzeug zu seiner Familie steigen zu dürfen. "Als ich nach Deutschland gekommen bin, war ich glücklich. Ich wollte hier Abitur machen und auch meine Schwestern hätten sich hier gut eingelebt, denn sie sind ja noch klein und lernen schnell. Jetzt ist mir die Schule hier nicht mehr wichtig, ich will nur noch zurück zu meiner Familie."

Seine Betreuerin hat ihm geraten, sich seine Enttäuschung und seine Wut über die lange Wartezeit und die Behandlung durch die Ausländerbehörde von der Seele zu reden. "Am Anfang war Achmed sehr geduldig", erzählt sie. "Doch irgendwann kam die Wut und dann die Lethargie. Er war völlig lustlos." Zurzeit wohnt Achmed noch in einer Jugendwohngruppe in Wuppertal und besucht die Gesamtschule. In seiner Freizeit spielt er Fußball. "Ich habe hier viele Freunde, die ich vermissen werde." Doch das Zusammensein mit seiner Familie ist ihm wichtiger. Nach dem Abitur will er zurück nach Deutschland kommen, um Zahnmedizin zu studieren — genau wie sein Vater. "Ich liebe dieses Land, weil es uns sehr geholfen hat. Aber ich finde es schade, dass es uns nur hoffen lässt und keine Ergebnisse zeigt", sagt Achmed zum Abschluss in tadellosem Deutsch.
*Name von der Redaktion geändert

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