„Die Piraten“ auf der Wuppertaler Opernhaus-Bühne Ganz wunderbarer Blödsinn

Wuppertal · Very british: „Die Piraten“ (von Penzance, wie es eigentlich heißen müsste) entern mit hohem Vergnügungsfaktor das Opernhaus.

 Allzu gerne würden die Piraten von Penzance die hübschen Töchter des General Stanley (die Damen des Opernchores) erbeuten – doch leider ist der Vater (angeblich) ein Waisenkind, und Waisen werden aus Prinzip verschont.

Allzu gerne würden die Piraten von Penzance die hübschen Töchter des General Stanley (die Damen des Opernchores) erbeuten – doch leider ist der Vater (angeblich) ein Waisenkind, und Waisen werden aus Prinzip verschont.

Foto: Jens Grossmann

Dem Piratengewerbe geht es schlecht. Jedenfalls in Penzance, wo sich längst herumgesprochen hat, dass die ortsansässigen Freibeuter jeden Waisen beim Plündern verschonen – und sich natürlich jeder, der in die Nähe der Bande kommt, als armes Waisenkind ausgibt.

So auch der neureiche General Stanley, der mit Verweis auf sein elternloses Dasein seine unzähligen Töchter vor dem Zugriff der Bande schützen kann. Und später doch vom schlechten Gewissen geplagt wird, hat er doch damit seine frisch angekaufte Ahnenreihe verleugnet, die er zu seinem neuen Landsitz gleich miterworben hat.

Dann ist da noch der junge Frederic, der aufgrund eines Irrtums eine Berufsausbildung als Pirat absolviert hat und der unklaren Vertragsgestaltung wegen im Stück mehrfach die Seiten wechseln muss, aber immer loyal bleiben möchte. Ziemlich unübersichtlich? Eigentlich nicht, wenn man das ganze Stück sieht. Ziemlich albern? Unbedingt, oder besser gesagt: Das ist ganz wunderbarer Blödsinn.

„Die Piraten von Penzance“ von William S. Gilbert (Text) und Arthur Sullivan (Musik) ist die britische Variante der satirischen Operette, wie sie vor allem Jacques Offenbach geprägt hat. Die britische (Adels-)Gesellschaft mit einem angestaubten Ehrenkodex wird kräftig auf die Schippe genommen, wobei der Spott vor der höchsten Instanz letztendlich haltmacht: Die Queen persönlich muss es am Ende richten, und auch wenn man kurz über sie lachen darf, vereinigt sie doch mit einem Wink ihre Untertanen. Da hat die Satire dann doch ihre Grenzen.

Der Clou dieser spritzigen Operette besteht darin, dass der eigentliche Hauptdarsteller der Chor ist. Streng nach Herren und Damen getrennt, treffen zunächst die Piraten und die Töchter des Generals aufeinander und liefern sich musikalische Scharmützel; später erscheint noch eine durchgeknallte Polizeitruppe.

Der Chor der Wuppertaler Bühnen (Einstudierung: Markus Baisch und Ulrich Zippelius) spielt und singt großartig, mit enormem Einsatz und stimmlicher Präsenz. Dazu kommen mit Sebastian Campione als Piratenkönig und Simon Stricker als General Stanley zwei herrlich komödiantische Darsteller.

Etwas schwerer tun sich Sangmin Jeon als Frederic, der mit imponierendem Tenor ordentlich singt, aber mit dem gesprochenen Text arg zu kämpfen hat, und Ralitsa Ralinova als Generalstochter Mabel, einer schnellen Heirat mit Frederic nicht abgeneigt, die mit schönem Sopran gut den leichten Operettenton trifft, schauspielerisch aber eher unauffällig agiert. Sehr amüsant ist Joselyn Rechter als zeternde Amme und Begleiterin Frederics.

Regisseur Cush Jung erzählt die absurde Geschichte ziemlich konventionell, aber durchaus mit Gespür für Tempo und Zuspitzung – mit viel slapstickhaftem Witz gibt das „Extraballett der Wuppertaler Bühnen“ die kleine Polizeitruppe, die im zweiten Teil auftritt (Choreographie: Janet Calvert). Aktualisierungen und Anspielungen auf das Tagesgeschehen, die man ganz gut in diesem Genre unterbringen kann, sind spärlich – immerhin ist die Queen nicht mehr wie im Uraufführungsjahr 1879 Victoria, sondern die handtaschenbewehrte Elisabeth II., die ihren Ärger über den flegelhaften prime minister Boris Johnson andeuten darf.

Die Inszenierung – eine Übernahme von der Musikalischen Komödie Leipzig von 2016 – gibt sich kompromissbereit: Sie ist witzig, überspannt den Bogen aber nicht, schöpft allerdings auch nicht alle Absurditäten der Geschichte aus.

Schade, dass der gesungene Text oft nur schlecht zu verstehen ist, da wären Übertitel doch ganz hilfreich. Und in der hier besprochenen Aufführung (die geplante Premierenkritik fiel kurzfristig den Quarantänebestimmungen zum Opfer, die auch vor Theaterkritikern nicht halt machen) waren Chor und Orchester (zu) oft nicht zusammen. Dabei dirigiert Kapellmeister Johannes Witt das recht gute Orchester eher zurückhaltend und dezent begleitend; man könnte sich da auch noch mehr Mut zum musikalischen Überzeichnen und mehr Esprit vorstellen.

Das Publikum hatte trotzdem große Freude an der unterhaltsamen Aufführung.

Nächste Termine: 19. März und 29. April jeweils um 19.30 Uhr im Opernhaus.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort