Zelle 74 wird sie nie vergessen

Wuppertal · Drei Pritschen, eine Holzbank und ständig schlechte Luft — für Brunhilde Scher war die Zeit unterm Döpps furchtbar. Blickt sie auf die Baustelle am Elberfelder Bahnhof, gehen ihre Gedanken automatisch zurück.

 Auch Brunhilde Scher war ein Flüchtling.

Auch Brunhilde Scher war ein Flüchtling.

Foto: Raina Seinsche

Zurück an die Epoche des Zweiten Weltkrieges, zurück zu den Bombenangriffen.

 Keine Wohlfühl-Atmosphäre: der Bunker unter dem Döppersberg.

Keine Wohlfühl-Atmosphäre: der Bunker unter dem Döppersberg.

Foto: Frank Vincentz / Wikipedia

"Wir wohnten an der Ravensberger Straße, Vater war in Russland und wenn die Flieger kamen, ging es sofort in den Keller", erinnert sich Brunhilde Scher. Und daran, wie sich 1943 der Himmel rot färbte, als Barmen und Elberfeld zerstört wurden. "Wir haben alles verloren. Mama und ich sind nach Österreich geflüchtet und spürten dort sehr deutlich, dass wir nicht willkommen waren", beschreibt sie ihr damaliges Flüchtlingsschicksal. Nicht nur das: Die Bilder der verkohlten Opfer in den Straßen Wuppertals haben sich in ihr Gedächtnis eingebrannt, sind ständig erschreckende Begleiter.

Nach Kriegsende kehrten sie zurück und erhielten einen Platz im Schutzbunker unterm Döppersberg: "Zelle 74, das waren drei Pritschen, eine Holzbank, es war einem ständig schlecht. Dazu noch durchweg abgestumpfte Mitbewohner, eine desolate Stimmung, die Zeit war furchtbar", so die 85-jährige Seniorin. Außerhalb des Bunkers war die Situation nicht unbedingt besser. "Es gab ja so gut wie nichts. Und wenn irgendwo Menschen anstanden, reihte man sich ein. Ohne zu wissen warum und in der Hoffnung, etwas zu bekommen, was das Leben erträglicher macht." Mit unterschiedlichen Ergebnissen. Als die Mutter ihr eines Tages voller Stolz ein paar Kinderschuhe gibt, trägt Brunhilde sie mit Freude und unter Schmerzen: Sie sind zu klein.

Am Tag der offenen Tür ist Brunhilde Scheer mal wieder abgetaucht in die Welt des Bunkers, in Zelle 74. "Und so wie damals war sofort der Gedanke da: "Ich will raus".

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