„Bluthochzeit“ von Lorca im Theater am Engelsgarten Archaisches Andalusien und Pop-Revue
Wuppertal · Das Wuppertaler Schauspiel hat mit „Bluthochzeit“ von Federico García Lorca einen spanischen Stoff aus den 30er Jahren in den Engelsgarten geholt.
Lorca, der große Dichter, der 1936, nur drei Jahre nach der „Bluthochzeit“-Uraufführung, von den Franco-Faschisten nachts am Straßenrand erschossen wurde, erzählt eine Geschichte aus einem andalusischen Dorf. Dort steht eine Hochzeit ins Haus, die zwei Familien, auf denen eine Blutrache-Last liegt, wieder versöhnen könnte. Tut sie aber nicht.
Die Hochzeit gerät zur Katastrophe: Während der Feier flieht die frischgebackene Ehefrau. Nicht jedoch mit ihrem Gatten, sondern mit einem (verheirateten) Mann, mit dem sie vor Jahren verlobt war. Rasant schnell brechen alte Feindschaften wieder auf, das Rad traditioneller Rache und Vergeltung dreht sich auf Hochtouren, die nächtliche Jagd nach dem unrechtmäßigen Paar beginnt. Am Ende erstechen die beiden Kontrahenten sich gegenseitig.
Regisseur Peter Wallgram inszeniert dieses archaisch-lyrische 130-Minuten-Stück im vor allem von einem riesigen geöffneten Mund bestimmten Bühnenbild (Miriam Grimm) als Wechselspiel von klassischem Dialog-Theater und moderner Pop-Revue. Die verschiedenen Familienzugehörigkeiten sind durch die Farben der Kostüme im karierten Küchenhandtuch-Design (ebenfalls Miriam Grimm) erkennbar.
In Fahrt kommt das Ganze erst langsam: Stets wird aufwendig über die Riesenunterlippe auf die Bühne geklettert, Mutter (Silvia Munzón López) und Sohn/Bräutigam (John Sander) enthüllen im Gespräch die Vergangenheit. Die hat sich tief eingefressen in die Mutter. Ihren Sohn, den sie, wie ihr Leid über den Verlust des übermächtigen „idealmännlichen“ Ehemannes, nie losließ, hat sie zu ihrer Marionette gemacht. Eine Chance, sein Leid zu verarbeiten, denn er verlor ja schließlich auch den Vater, hat sie ihm in ihrer Selbstsucht nie gegeben. Bei sich konnte der junge Mann nie sein, sieht gar nicht, dass seine Braut die Hochzeit nicht wirklich will. Dass die Mutter dagegen ist, ist glasklar. Obwohl sie vordergründig ganz anders spricht. Als aber das Ganze schiefgeht, ist sie die Erste, die lauthals nach Rache ruft.
Im Originalstück spielen Musik und traditionelle Lieder eine wichtige Rolle: In der Wuppertaler Inszenierung sind es zeitgemäße spanische und englische Songs, die vor allem von der schönen Mezzosopran-Stimme und Präsenz Luzia Ostermanns leben. Sie, die eigentlich „nur“ das Dienstmädchen ist, lässt streckenweise den Rest des Ensembles blass aussehen.
Stark Maditha Dolle als alte, mürrische Nachbarin – und vor allem in ihrer Rolle als der Tod. Da, in einer nächtlichen „Zauber-Szene“, wenn auch Stefan Walz als der Mond für ganz viel Magie sorgt, wirft die Wuppertaler „Bluthochzeit“ ein emotionales Netz aus, von dem man sich beeindruckt fangen lässt.
Richtung Schluss aber, als die beiden Männer in dichtem Talkumpuder-Nebel live miteinander kämpfen und sich töten, wobei sie von einem fünfköpfigen Damen-Chor mit swingenden Songs „begleitet“ werden, bekommt das dichte Netz der Emotionen Löcher. Diese Szene zerbricht die eben angesprochene Magie wieder, kommt arg plakativ à la Show-Bühne daher.
Applaus verdienen Rebekka Biener und Alexander Peiler als längst unglückliches Paar für ihre kühle Darstellung tiefer Entfremdung. Vor allem aber ganz am Ende ziehen Silvia Munzón López als Bräutigamsmutter und Julia Meier als geflohene Braut sowie „Doppel-Witwe“ die Aufmerksamkeit auf sich: Der Sog ihres bitteren Dialoges ist intensiv. Julia Meier füllt den hochlyrischen Lorca-Text über die Verästelungen der Liebe mit viel Leben. Und Silvia Munzón López – versteinert bis ans Herz – schließt mit sich selbst den Teufelskreis dieser „Bluthochzeit“.
Nochmals am 9. und 24. Februar 2023, um 19.30 Uhr, sowie am 17. März 2023 um 18 Uhr.