Oper Wuppertal mit Wagner-Klassiker Es müsste „Patrick und Isolde“ heißen
Wuppertal · So toll hat man das Meer im Wuppertaler Opernhaus wohl noch nie gesehen. Bewegte See bei wolkenverhangenem Himmel und Sonnenuntergang – die Videosequenzen von Martin Andersson geben schon einiges her als Hintergrund für Richard Wagners „Tristan und Isolde“.
Eine Inszenierung, die wie hier einfach nur die Handlung erzählen und bebildern möchte, wäre an sich gar nicht schlecht, und genau das hat Andersson (verantwortlich für „Konzept und Regie Video“) dieser Produktion offenbar verordnet: keinerlei Interpretation, keine Modernisierung, sondern einfach nur große Bilder. Nur muss man irgendwie das singende Personal noch sinnvoll unterbekommen, und da hapert es doch gewaltig.
Dabei gibt es eigens jemanden, der laut Besetzungszettel für „Regie Bühne“ zuständig ist, nämlich Edison Vigil. Der schickt die Sängerinnen und Sänger meistens schnurstracks ganz nach vorne an die Rampe, wo sie dann direkt ins Publikum singen – wie in einer konzertanten Aufführung. Dabei werden sie ziemlich einfallslos und viel zu hell beleuchtet und laufen oft wie Fremdkörper durch die Bühneninstallation, auch weil die vorsichtig historisierenden Kostüme (Dorothee Joisten) nicht so recht passen.
Insbesondere Isoldes unbestimmt zwischen Rot und Pink changierendes Kleid sticht optisch derart aus dem Bühnenbild heraus, dass die Figur ein Fremdkörper bleibt. Was als Idee ja sogar plausibel wäre, würde man es auch in der Personenregie wiederfinden.
Apropos Bühne: Die sieht im ersten Akt mit angedeutetem Segelschiff noch ganz nett aus, mit einem im Zeitlupentempo wachsenden Garten im zweiten Akt geheimnisvoll magisch und ein bisschen kitschig, und im dritten Akt verstellt eine düstere Höhle weitgehend den Blick aufs Meer, der doch so schön war. Wenn Isolde, anstatt librettogemäß den Liebestod zu sterben, nach hinten Richtung Meer und Licht abgeht, dann leidet man vor allem deshalb, weil sie sich unweigerlich den Kopf stoßen würde, wäre die Oper nicht gerade noch rechtzeitig zu Ende. Leider ist die Regie, die immerhin meist nicht groß stört, voll von solchen haarsträubenden handwerklichen Schwächen.
Für Wuppertals neue Opernintendantin Rebekah Rota ist dies die erste Produktion im Opernhaus, und dafür ist „Tristan und Isolde“ keine optimale Wahl. Man hätte doch gerne das neue Ensemble gehört, aber die großen Wagner-Partien können naturgemäß nur mit Gästen besetzt werden.
Für die erkrankte Kirstin Sharpin sprang in der Premiere Stéphanie Müther als Isolde ein. Mit ihrem beeindruckend großen, trompetenhaften Sopran singt sie sich für die großen Häuser warm. Da kann Samuel Sakker als Tristan nicht mithalten. Sein baritonal dunkel timbrierter Tenor hat starke Momente in den leisen Passagen, es fehlt aber an heldentenoraler Durchschlagskraft. Martijn Sanders ist ein etwas poltriger Kurwenal mit brüchiger Stimme, Jennifer Feinstein eine dramatische, durch ziemlich monotones Vibrato eher einfarbige und nicht immer intonationsreine Brangäne. Soweit die Gäste.
Der finnische Bass Erik Rousi gibt als König Marke einen beachtlichen Einstand im hauseigenen Ensemble, Jason Lee hinterlässt in der kleinen Rolle des Melot keinen nennenswerten Eindruck. Tenor Sangmin Jeon, schon länger eine Stütze des Hauses, singt den Hirten und den jungen Seemann tadellos.
Nun dürfte diese Oper in erster Linie des Dirigenten Patrick Hahn wegen auf dem Spielplan stehen, und was der am Pult des guten Sinfonieorchesters zaubert, ist in der Tat großartig. Sehr differenziert im Detail und gleichzeitig mit Sinn für die großen Spannungsbögen, entwickelt Hahn orchestral das Drama, das auf der Bühne weitgehend fehlt. Vor allem dafür lohnt sich der Besuch.
Großer Beifall für Hahn, ein paar Buhs für die Regie.