Der ESC-Blog des Wuppertaler Musikexperten Peter Bergener Ciao Bella, ciao Bella, ciao ciao ciao

Wuppertal · Marostica und Bassano del Grappa sind zwei mittelalterliche, norditalienische Städte in der Provinz Vicenza (Region Venetien). Der Ort Marostica ist wegen des "Lebenden Schachspiels" (mit Darstellern in mittelalterlichen Kostümen) berühmt, und ich war bereits einmal dort, da meine beste Freundin Marina in dieser wunderschönen Stadt geheiratet hat.

 Im Pressezentrum mi Wuppertal-Präsenten und Pflanze.

Im Pressezentrum mi Wuppertal-Präsenten und Pflanze.

Foto: Peter Bergener

Fast nebenan ist die ebenfalls sehr schöne Stadt Bassano del Grappa, welche aufgrund der vielen Grappa-Destillerien touristisch interessant ist, dessen Stadtname aber eben nicht von dem Schnaps stammt, sondern vielmehr vom benachbarten Berg Monte Grappa.

Bassano del Grappa hat rund 43.000 Einwohner und dieses Jahr hatte ich das Glück, eine der zur Zeit bekanntesten Einwohnerinnen bei meinem Aufenthalt in Stockholm kennen zu lernen: Es ist die italienische Popsängerin Francesca Michielin, die im Jahr 1995 in Bassano del Grappa geboren wurde und nicht nur die Siegerin der fünften Staffel von "X-Factor" in Italien geworden ist, sondern in diesem Jahr einen hervorragenden zweiten Platz im bekannten San-Remo-Festival mit dem Song "Nessun grado di separazione" erreicht hat.

Ein Lied, welches von Anfang an sich immer mehr zu einem meiner Lieblingssongs im San-Remo-Festival herauskristallisierte. Etwas enttäuscht war ich dann doch im Februar 2016, als dann als San-Remo-Sieger das Lied "Un giorno mi darai" der Gruppe "Stadio" gekürt wurde. Nicht dass das Siegerlied mir nicht gefiel, aber irgendwie war ich mehr auf Francesca, aber auch auf die drittplatzierten Deborah Lurato und Giovanni Caccamo fixiert.

Ich wusste ja auch bereits, dass durch diesen Sieg die Gruppe "Stadio" das Angebot vom italienischen Fernsehsender RAI erhalten würde, Italien beim ESC in Stockholm 2016 vertreten zu dürfen. Als dann aber die San-Remo-Siegergruppe auf eine Teilnahme am ESC verzichtete, fiel die Wahl des TV-Senders RAI auf Francesca, die erfreut ihre Teilnahme in Stockholm zusagte.

 Peter Bergener mit Francesca Michielin.

Peter Bergener mit Francesca Michielin.

Foto: Peter Bergener

Es dauerte auch nicht lange, da gab man bekannt, dass auch der San-Remo-Beitrag der ESC-Song sein wird, obwohl in einer leicht abgewandelten Version. Es wurde eine Strophe in englischer Sprache eingefügt und so hieß der offizielle Beitrag: "No degree of separation" anstatt "Nessun grado di separazione".

Als ich das las, bekam ich einen Schreck, da ich glaubte, dass die Italiener komplett englisch singen werden. Nicht, dass ich es ihnen nicht zutrauen würde, aber diese schöne italienische Sprache nicht zu singen, das wäre für mich eine Enttäuschung gewesen. Doch dann blieb es eigentlich bei dem italienischen Text des Liedes und die kurze englische Strophe integrierte sich eigentlich ganz gut in das Lied ("No degree of separation, no degree of hesitation").

So wartete ich also ungeduldig dem Tag entgegen, dass der italienische Bus in Stockholm eintraf. Ja, Ihr habt richtig gelesen, der Bus, nicht der Flieger! Man hatte sich nämlich etwas PR-mäßig Interessantes ausgedacht. Francesca Michielin startete ihre Reise nach Stockholm komplett mit einem Tour-Bus und machte Stop an einigen großen Städten in Europa. Sie begann in ihrer Heimatstadt Bassano del Grappa. Von da aus ging es über Wien nach Warschau, dann nach Berlin, über Kopenhagen bis hin nach Stockholm.

Angekommen bei strahlendem Sonnenschein, empfingen einige Journalisten und Fans Francesca direkt vor dem Hotel am "Globen". Sichtlich erfreut und berührt war sie. Auch ich begrüßte sie persönlich mit ein paar Worten in italienischer Sprache und sagte ihr, dass ich schon einmal in ihrer Heimatstadt Bassano del Grappa sowie in Marostica gewesen bin - und falls ich sie noch einmal in dieser Probenwoche sehen werde, dann zeige ich ihr etwas von meiner Stadt Wuppertal. Sie sagte erfreut: "Da bin ich gespannt!"

 Der Auftitt im Stockholmer "Globen".

Der Auftitt im Stockholmer "Globen".

Foto: Peter Bergener

Ich traf Francesca in der Tat im Pressezentrum ein paar Tage später wieder und konnte ihr von Wuppertal und der Schwebebahn erzählen. Ich habe ihr auch ein paar Souvenirs von meiner Stadt geschenkt. Sie freute sich sehr, aber sagte, dass sie leider nichts für mich hat. Wir machten noch ein Bild zusammen und gab mir für das Foto die Pflanze, die sie auf der Bühne ganz zum Schluss des Liedes dem Publikum überreichen möchte mit der Aussage: "We are precious!"

 Der Tour-Bus bei der Ankunft in Stockholm.

Der Tour-Bus bei der Ankunft in Stockholm.

Foto: Peter Bergener

Ich war einem italienischen Adrenalin ausgesetzt und das auch noch nach den ersten Proben, die ich im Pressezentrum verfolgt habe. Voller Enthusiasmus schrieb ich meiner italienischen Freundin Marina genau, was alles so auf der Bühne passiert.

Doch der Enthusiasmus verflog ein wenig in der Woche, als ich die weiteren Proben verfolgte. Während es im offiziellen Video knallbunte Farben, pulsierende Herzen und Regenbögen gab, fand ich jetzt eher einen unorganisierten Garten auf der Bühne vor und hörte dann, dass Italien aus der ursprünglichen Liebesballade eher einen Umweltschutzsong plane. "Va bene", dachte ich, daher die Pflanze zum Schluss, "ho capito", aber, wenn schon ökologisch, dann, dachte ich ,muss doch auch das Outfit entsprechend angepasst werden.

Dann hätte ich auch lieber eine lockere Jeans-Latzhose, die man bei den Gartenarbeiten trägt, besser gefunden und nicht eine gestylte Latzhose mit Glitzereffekten. Als ich dann auch noch den Auftritt kurz danach an der TV-Leinwand verfolgte und sah, dass dem Zuschauer während des Auftritts nach meiner Meinung "kitschig" kleine Wölkchen und Sonnen wie mit einem weißen Filzstift aufgemalt auf der TV-Leinwand gezeigt werden, wusste ich: Das wird auf keinen Fall der Sieger des ESC 2016. Das ist zwar ein super Song, aber beim Show-Contest eventuell nicht das, was viele ansprechen wird.

Trotz einer tollen Stimme und einer sympatischen, entspannten Ausstrahlung schaffte es Italien dann im Finale leider nur auf den 16. Platz. Zwei Sachen weiß ich aber jetzt: Dass ich erstens nächstes Jahr leider (!) wieder nicht nach Italien (Ciao Marina) fahre, um die Eurovision in einem meiner Lieblingsländer zu feiern, aber nichtsdestotrotz zweitens, dass Francesca Michielin nach wie vor in Italien ein großer Star bleiben wird. Ihr neues Album "di 20are", welches in Italien auf Platz ein der Albumcharts steht, habe ich mir angehört. Es gefällt mir sehr gut. Eine große Tournee im Oktober in Italien wird gerade vorbereitet.

Tanti saluti und successo nach Italien. A presto e buona fine settimana (bis bald und schönes Wochenende)!

Euer Euro-Music-Peter!

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