Interview: Bayer-Schwimmtrainer Michael Bryja über seinen Start in Wuppertal "Alle offen für neue Methoden"

Wuppertal · Im Mai 2015 hat Michael Bryja die Schwimmabteilung des SV Bayer als Cheftrainer übernommen. Im Gespräch mit Rundschau-Redakteur Roderich Trapp zieht er genau zwölf Monate später Bilanz.

 Michael Brija zu Gast in der Rundschau-Redaktion.

Michael Brija zu Gast in der Rundschau-Redaktion.

Foto: Rundschau

Rundschau: Sie sind vor einem Jahr aus Bochum nach Wuppertal gekommen. Wie war der Start?

Bryja: Ganz ehrlich: Viel leichter als gedacht! Mein Ziel war, aus der Truppe eine richtiges Team zu machen, das zusammen funktioniert. Da haben alle super mitgezogen. Wir sind dann ja auch mit den Damen in die Bundesliga aufgestiegen. Und Katarzyna Baranowska, die ich aus Bochum mit nach Wuppertal gebracht habe, ist ebenfalls sehr gut aufgenommen worden.

Rundschau: Sie ist ja auch das Bayer-Aushängeschild und schwimmt diese Woche bei der EM in London um die Fahrkarte zu den Olympischen Spielen. Wie sehen Sie Ihre Chancen?

Bryja: Ihr Jahr war gesundheitlich nicht leicht, die Chancen für Rio standen vielleicht 40:60. Aber bei den Deutschen Meisterschaften ist sie schon sehr nah an die Norm rangeschwommen.

Rundschau: Fahren Sie als Trainer mit nach Rio, wenn die Quali klappt?

Brija: Ja. Ich hatte auch darüber nachgedacht, unabhängig davon hinzufliegen. Aber ich habe mir mal vorgenommen: Wenn ich das erste Mal bei Olympia dabei bin, dann mit einem eigenen Athleten.

Rundschau: Für Bayer-Schwimmerin Theresa Michalak, die in den USA trainiert, hat es bei den Deutschen Meisterschaften mit Olympia nicht geklappt. Sie war weit von ihren Bestzeiten entfernt.

Bryja: Um das zu erklären, habe ich nicht genug Bezug zu ihrem Training. Sie hat aber den Standort gewechselt und dann komplett anders trainiert. Ich habe die Pläne gesehen, das war wenig Pensum, aber dafür sehr hart. Deshalb war es auf den längeren Strecken für sie sehr schwierig. Aber auch sie sagt inzwischen, dass sie noch nie eine so tolle Mannschaft um sich gehabt hat, wie die unsere.

Rundschau: Der Vorstand hat Ihnen als Aufgabe mitgegeben, die Bayer-Schwimmer langfristig wieder zu nationalen und internationalen Erfolgen zu führen. Wie sind da die Perspektiven?

Bryja: Ich denke, dass wir einige Talente speziell bei den Jungs im 99er-Jahrgang haben, die demnächst in Richtung 2020 erste Ausrufezeichen setzen können. Zum Beispiel 2017 bei der Jugend-EM. Ich hoffe, dass man mir die Zeit gibt, mit ihnen langfristig zu arbeiten. Meine Philosophie ist an die der Amerikaner oder Australier angelehnt, die ihre Schwimmer stetig aufbauen, damit sie dann auch stetig Leistung bringen können. Der Vorstand und die Athleten sind da für meine Methoden sehr offen. Und ich kann jetzt einen neuen Vier-Jahres-Zyklus planen, das ging unmittelbar nach meiner Einstellung ja noch nicht.

Rundschau: 2012 blieben die deutschen Olympia-Schwimmer ohne Medaille und wurden hart kritisiert. Wie sehen Sie diesmal die Chancen?

Bryja: Besser. Mit Marco Koch gibt es ja praktisch einen Medaillen-Garanten. Und bei den deutschen Meisterschaften haben Athleten wie Alexandra Wenk gezeigt, dass sie auch oben anklopfen können. Sie ist auch jemand, der positiv ausstrahlt, was man tun muss, um zu gewinnen. Ich hätte mir aber trotzdem gewünscht, dass man nach 2012 die Strukturen im deutschen Schwimmsport stärker auf den Prüfstand stellt.

Rundschau: Inwiefern?

Bryja: Bei uns ist alles sehr stark auf die Bundesstützpunkte fokussiert. Aber wenn die Vereine denen zuarbeiten sollen, dann müsste deren Arbeit besser honoriert werden. Bundestrainer Henning Lambertz, den ich sehr schätze, hat da gute Ansätze. Insgesamt hat sich seit 2012 jedoch nicht viel getan. Ich wäre auch für ein anderes Qualifikationssystem bei Großereignissen mit Ausscheidungsschwimmen wie bei den Amerikanern. Nur wer gewinnt, ist — natürlich mit Norm — dabei. Wer da durch kommt, für den ist der Stressfaktor bei Olympia dann gleich Null.

Rundschau: Schwimmen ist ein extrem zeitaufwändiger und Disziplin fordernder Sport. Wie können Sie heute überhaupt noch junge Talente dafür begeistern?

Bryja: Indem ich Ihnen eine Perspektive biete! Wenn ich Kindern deutlich machen kann, was sie mit diesem Sport erreichen können, dann lassen Sie sich auch dafür begeistern. Allerdings werden natürlich auch beim Schwimmen die Talente weniger, weil ganz vielen Kindern einfach die Zeit fehlt. Das aktuelle Schulsystem erschwert uns da die Arbeit.

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