Nach Toreschluss - die Wochenendsatire InnenBandSchaden

Wuppertal · Freitag war ich auf dem Weg zum letzten Arbeitstag des Jahres der einzige auf der Straße. Alle anderen waren im Kaufhof. Solche Schlangen wie da beim Räumungsverkauf hat man zuletzt 1989 unmittelbar vor Öffnung der innerdeutschen Grenze an den Kontrollpunkten der Berliner Mauer gesehen.

Ausverkauf im Kaufhof.

Ausverkauf im Kaufhof.

Foto: Klaus Döring

Die Angestellten im Kaufhof werden sich fragen, warum die Kunden nicht zwischendurch auch ab und mal zu gekommen sind, dann wäre es vielleicht gar nicht zu dieser als Ausverkauf getarnten Einzelhandels-Leichenfledderei gekommen.

Nun ist Wuppertal ja ziemlich gut darin, zu jedem städtischen Problem Konzepte und Workshops mit atemberaubenden Namen zu machen, in denen Visionen entwickelt werden, die dann wahlweise niemand braucht oder keiner umsetzt. In der Zwischenzeit geht alles vor die Hunde, was dringend in weiteren Workshops thematisiert werden muss.

Ich meine solche Sachen wie die „Qualitätsoffensive Innenstadt Elberfeld“, die so gut funktioniert hat, dass es dort jetzt erstens keinen Handel mehr und zweitens eine Poststraße gibt, auf der die Menschen öfter über Hubbel stolpern als morgen an Silvester der Butler in „Dinner for One“ über den Tigerkopf. Wegen des großen Erfolgs wurde jetzt direkt nachgelegt – mit dem Projekt „InnenBandStadt“. In aufwändigen wissenschaftlichen Untersuchungen wurde nämlich völlig überraschend festgestellt, dass Wuppertal in Elberfeld und Barmen gleich zwei Zentren mit ziemlich viel Niemandsland dazwischen hat. Ich wäre deshalb eher auf den Begriff „InnenBandSchaden“ gekommen, aber die Verwaltung sieht das ganz anders und ist von den jetzt gewonnenen Erkenntnissen förmlich euphorisiert: „Diese Besonderheit bietet die Möglichkeit, einen neuen Typus der Innenstadt zu denken und auszuprobieren und den Zentren Barmen und Elberfeld, aber auch dem Raum dazwischen, neue Bedeutungen zu geben“, teilte sie uns Anfang Dezember mit.

Das Beste daran: Falls Sie irgendeine Idee haben, was mit diesem Geschwurbel gemeint sein könnte, dürfen Sie genau diese Idee bis zum 5. Februar 2024 einreichen. Sie wird dann vielleicht in einem Reallabor umgesetzt. Reallabore sind ja der neueste Wuppertaler Schrei. Das Wort bedeutet übersetzt: „Wir wissen zwar nicht, was wir wollen, müssen das aber unbedingt mal ausprobieren, obwohl wir hinterher sowieso kein Geld dafür haben“.

Ein schönes Beispiel dafür ist das Projekt „Wuppertal Fahrradstadt 2025“. Bereits 2013 hatte der Stadtrat beschlossen, Wuppertal innerhalb kürzester Zeit in eine Art bergisches Münsterland mit paradiesischen Bedingungen für Drahtesel zu verwandeln. Zehn Jahre später haben wir uns im bundesweiten Fahrradklima-Test des ADFC nur geringfügig verschlechtert und dürfen uns zum Beispiel über den neuen Talachsen-Radweg an der Hünefeldstraße freuen. Hier wird in einer Art Reallabor getestet, was passiert, wenn man mit Hilfe bescheuerter Beschilderung und abstruser Markierungen Autos und Radfahrer wie Stier und Torero in der Arena frontal aufeinander los lässt. Außer den Leuten, die sich das ausgedacht haben, finden alle die Lösung indiskutabel, weshalb sie auch ohne Diskussion beibehalten wird.

Unter diesem Gesichtspunkt habe ich jetzt auch eine schöne „InnenBandStadt“-Idee eingereicht, mit der ich der Elberfelder City eine ganz neue Bedeutung gebe. Sie heißt „Next Level Shopping Neumarkt“ und basiert auf dem Konzept, das Handelsangebot der Innenstadt besser auf die Kaufkraft der Wuppertaler abzustimmen. Aus dem „Kaufhof“ wird deshalb der „Kaufnix“, Deutschlands erstes dauerhaft geschlossenes Warenhaus, in dem Verbraucher so viel Geld sparen wie nirgends sonst, weil man dort rein gar nichts erwerben kann. Das entsprechende Reallabor startet am 1. Februar 2024 ...

Aber sehen wir die Sache doch mal positiv: Das Praktische an der Wuppertaler Gesamtsituation ist, dass uns das neue Jahr eigentlich nur positiv überraschen kann. In diesem Sinne guten Rutsch und ...

Bis die Tage!

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