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Ehemaliger Richter verurteilt: „Mit Bier und Wein zugeschüttet“

Ehemaliger Richter verurteilt : „Mit Bier und Wein zugeschüttet“

Fehler und Alkoholmissbrauch: Das Landgericht hat einen früheren Richter des Wuppertaler Amtsgerichts zu elf Monaten Bewährungsstrafe verurteilt.


Der 70 Jahre alte Angeklagte hatte in Betreuungsverfahren vor seiner Pensionierung 2011 Fehler begangen: Laut Geständnis versäumte er in zehn Fällen Fristen für Anhörungen, holte Gutachten nicht ein und übersah, rechtliche Vertreter für die Betroffenen zu bestellen. Die waren teils hochbetagt, teils schwer krank. In einigen Fällen ging es um die Freiheit von Patienten: Der Angeklagte musste entscheiden, wen Pfleger aus medizinischen Gründen vorübergehend fesseln konnten.


Der 70-Jährige gab eine lange, psychische Erkrankung und schweren Alkoholmissbrauch zu: "Ich habe die Akten wegverwaltet und mich abends mit Bier und Wein zugeschüttet. Ich dachte, ich überstehe das letzte Jahr bis zur Pension und habe gehofft, dass es im Gericht niemand bemerkt." Abstand zu den Fällen habe er teils nicht mehr einhalten können. Einer seiner Anwälte erläuterte: "Er ist durch Krankenhausflure gegangen, wo die Patienten ihn anfassten und baten — 'Herr Richter!‘ — und dabei hat er gedacht, dass er doch eigentlich selbst dorthin gehört." Ein neues Gesetz von 2009 sei an ihm vorbei gegangen, fügte der Angeklagte hinzu. Ab da mussten Richter Betroffene häufiger anhören und aufwändiger schützen.

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Der 70-Jährige fiel im Sommer 2011 in seiner Behörde auf. Es folgte ein Strafverfahren, im Jahr 2014 die Anklage. Mehr als drei Jahre hing das Verfahren damit in der Warteschleife. In der jetzigen Verhandlung vollzog das Landgericht jeden einzelnen Fall anhand der Akten nach. Welche Betroffenen noch leben, blieb offen. Der Angeklagte verfolgte das Ganze mit ernster Miene. Er erläuterte, woran er sich erinnerte. Es sei wenig — wegen der Vielzahl der Fälle. Laut Amtsgericht hatte eine Betreuungsabteilung 2011 mit einem Richter auf voller Stelle ständig 1.700 Akten im Bestand.


Dem Urteil des Landgerichts zufolge waren die Entscheidungen des Angeklagten richtig. Er habe aber Verfahrensfehler gemacht und die Rechte Betroffener verletzt. Ein Psychiater stellte fest, der 70-Jährige sei bei den Taten arbeitsunfähig und nur eingeschränkt schuldfähig gewesen. Fazit des Gerichts: "Der richtige Weg wäre gewesen, sich krank zu melden."


Die Richter folgten mit ihrem Urteil dem Antrag des Staatsanwalts. Der hatte klar gemacht: "Der Angeklagte ist natürlich nicht vorbestraft und hat mehr als 30 Jahre zuverlässig gearbeitet. Es geht hier aber auch um ein Signal an die Öffentlichkeit: Die Justiz geht mit Straftaten angemessen um, selbst wenn jemand 'aus den eigenen Reihen‘ betroffen ist."
Die Strafe ist rechtskräftig. Das Gericht hat sie so bemessen, dass der 70-Jährige seine Pension behalten kann. Er muss 5.000 Euro ans Kinderhospiz zahlen, um in Freiheit zu bleiben. Ihn erwartet ein Disziplinarverfahren.