Leserbrief „Brauchen mehr Zusammenhalt denn je“

Betr.: Kritik an Rufen auf Demo

 Bild von der Demo vor dem Rathaus.

Bild von der Demo vor dem Rathaus.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Simone Bahrmann

Sehr geehrter Leser, schade dass Sie derartige Rufe so abgeschreckt haben, dass Sie beschlossen haben, nicht mehr auf antifaschistische Demos zu gehen. Und das gerade jetzt, wo wir mehr Zusammenhalt gegenüber den Demokratiefeinden brauchen denn je.

Ich möchte hier gerne auf Ihre Kritik eingehen, anderen Menschen mit Hass zu begegnen, aus der Sicht von jemandem, der von den Enthüllungen der Correctiv-Recherche als Erster betroffen wäre.

Mein Vater kam '68 als „Gastarbeiter“ nach Deutschland und holte '73 seine Familie nach. Da war meiner Familie wohl schon klar, dass sie längerfristig hier leben würden. Und als sie sich noch mal vier Jahre eingelebt haben, wurde ich dann '77 hier geboren.

Ich habe nie wo anders gelebt, ging hier zur Schule, arbeite, habe deutsche Freunde, und mir die Frage zu stellen, wo ich den herkomme, sollte an Hohn grenzen. Kommt aber dennoch vor. Mittlerweile ziehe ich selbst hier Kinder groß, die nicht mal mehr eine zweite Sprache außer Deutsch sprechen.

Sie schreiben davon, dass man der AfD doch mit Anstand begegnen sollte, weil diese ja auch Menschen seien. Aber vergessen Sie doch bitte dabei nicht, dass diese Menschen sich ernsthaft darüber austauschen und darauf zuarbeiten, Millionen von Menschen aus ihrem Lebensumfeld zu reißen und in die Fremde zu verfrachten, sie damit zu entmenschlichen, und wie bei Tieren über ihr Schicksal zu verfügen.

Diese „Menschen“ erheben sich dazu, mehr Rechte und Ansprüche gegen über diesem Land zu haben als ich, sind aber weder länger hier als ich, noch haben sie in irgendeiner Art mehr für dieses Land getan – außer das sie versuchen es zu demontieren und abzuschaffen.

Ebenso gebe ich diesen „Menschen“ eine Mitschuld an Tragödien wie Hanau, weil sie dadurch, dass sie ihre menschenverachtende „Meinung“ so lauthals rausbrüllen, ohne Konsequenzen zu fürchten, dass man wirklich das Gefühl haben könnte, es sei eine Mehrheit. die das fordert. Während die gemäßigte und ruhige Mehrheit verdutzt dreinschaut. Bei Menschen, die sowieso schon geistig faschistisch geprägt sind, kann das eine verheerende Wirkung haben, für die Unschuldige bezahlen.

Und ich lebe in Angst um mich, meine Kinder, meine Familie. Der einzige echte Unterschied zwischen mir und den meinen und denen in Hanau ist, dass ich zufällig hier war am 19. Februar 2020 und die in Hanau, wo ein Faschistisch-Verwirrter beschlossen hat, Nägel mit Köpfen zu machen. Hanau ist überall – das bedeutet es für mich.

Ich denke, ich kann mit Fug und Recht behaupten: „Ich hasse die AfD!" Alleine schon dafür, dass ich wegen solchen mit Ängsten leben muss. Und ich bin überaus dankbar zu sehen, dass so viele meiner Nachbarinnen und Nachbarn und Mitbürgerinnen und Mitbürger in Wuppertal mit mir gemeinsam Rufen „Das ganze Tal hasst die AfD" und mir, und damit auch den anderen circa 40 Prozent unserer Nachbarn, Freunden, Arbeitskollegen demonstrieren: „Ja, wir nehmen deine Sorgen ernst und stehen zu dir.“

Ich denke, jetzt ist nicht die Zeit, um sich erschrocken zurückzuziehen. Viel eher sollte man gerade jetzt auf einander zugehen und miteinander reden. Fragen, warum siehst du das so, wie du es siehst. Gelegenheiten dazu gibt es immer wieder auf Podiumsdiskussionen etc. Wir sollten die Lage ernst nehmen.

Alles Gute.

Mimam Jasarovski

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