Taltontheater Wuppertal Zuckerwatte – dann kippt die Stimmung

Wuppertal · Liebe in Zeiten von künstlicher Intelligenz: Darum geht’s in „Je besser ich dich kenne“. Das Stück feierte Uraufführung im Taltontheater (TTT). Das Publikum war begeistert. Der anwesende Autor auch.

 Ein Erfolg: die Uraufführung von „Je besser ich dich kenne“ im Taltontheater.

Ein Erfolg: die Uraufführung von „Je besser ich dich kenne“ im Taltontheater.

Foto: Joachim Schmitz

Krystian Martinek ist ein bekannter TV-Darsteller („Schwarzwaldklinik“, „Tatort“) und TV-Autor. Über 200 Drehbücher hat er verfasst – jetzt erstmals ein Bühnenstück. Dass das in einem kleinen, freien Theater uraufgeführt wird, obwohl sich zahlreiche Theater die Aufführungsrechte gesichert haben, freut Martinek, wie er im Gespräch mit der Rundschau berichtet: „Solche kleinen Bühnen muss man unterstützen. Und diese hier hat es durch den Umbau besonders schwer.“

Die Wuppertaler Inszenierung von Benjamin Breutel gefällt ihm: „Die Leute hier sind gut. Es gab kurzfristig noch ein paar Änderungen am Text, die ich vorgenommen habe, die sind sogar mit berücksichtigt.“

In „Je besser ich dich kenne“ geht es um die Künstlerin Jessica (Tabea Schiefer), die sich nach 25 Jahren Ehe von ihrem Mann Peter (Niklas Selz) trennt, „um keinen Schimmel anzusetzen“. Ihr neuer, deutlich jüngerer Freund Nic ist nahezu perfekt. Er ist mega-intelligent, gutaussehend, charmant und aufmerksam. Ihm fehlt nur eine Kleinigkeit: Gefühle – was daran liegt, dass Nic ein humanoider Roboter ist. Denny Pflanz spielt Nic so zuckersüß, dass im Publikum gemurmelt wird, so einen Partner wolle man auch haben.

Überfürsorglich und später dann übergriffig sorgt sich der Androide um seine Besitzerin. „Meine Aufgabe ist es, dich glücklich zu machen und dich zu beschützen“, wiederholt er seine Mission. Dabei tritt er immer wieder ins sprichwörtliche Fettnäpfchen, da er mit Metaphern und rhetorischen Fragen nichts anfangen kann und alles wörtlich nimmt. So gibt er gegenüber Peter, der sich scheinheilig nach Jessicas Wohlbefinden erkundigt, an: „Ich habe sie zwar mit erhöhten Blutfettwerten übernommen, aber wir arbeiten daran.“

Der erste Akt der Komödie ist geprägt von gut platzierten Sprüchen und Gags – etwa dem Hinweis von Jessica an ihre Freundin Sandra (Vanessa Ambrosius), dass sie durch regelmäßiges Jogging ihr Leben nun um fünf Minuten verlängert habe. Mehrfach brechen die Zuschauer in schallendes Gelächter und spontanen Beifall aus. Der zweite Teil ist ernsthafter, aber immer noch witzig. Das, was anfangs hip und modern erscheint, wirkt plötzlich steril und langweilig.

Diese Entwicklung wird vom Bühnenbild und den Kostümen (ebenfalls von Regisseur Benjamin Breutel gestaltet) wirkungsvoll unterstützt. Alles ist in Weiß und Creme-Tönen gehalten, die Möbel bestehen aus iPad-Kartons, und die von Jessica designten Stühle sind gebogene Stahlrohre, die zum Sitzen nicht einladen. Der einzige Farbtupfer ist ein grüner Smoothie, den Nic für Jessi und Sandra mixt. Alles ist harmonisch wie Zuckerwatte, bis die Stimmung kippt.

Peter fühlt sich von Nic provoziert. Sandra, die als frischgebackene Scheidungsanwältin eigentlich Jessica vertritt, muss durch einen formalen Fehler dann aber Peter vertreten. Es soll nicht zu viel verraten werden, aber für einen geht die Angelegenheit nicht so gut aus…

Am Schluss kommt dann doch noch Farbe in die Bude. Eine völlig frustrierte und später ziemlich betrunkene Jessica (tolle darstellerische Leistung von Tabea Schiefer) trinkt Chablis. Dieser klassische Weißwein, der sich übergangslos in die Umgebung einpassen würde, ist jedoch kräftig rot. Und während das Ende der perfekten Welt naht, fließt der Wein wie das Blut durch die Adern – Blutzuckerwerte ade!

Mit der Uraufführung von „Je besser ich dich kenne“ setzt das Taltontheater Maßstäbe. Theaterleitung, Regie und Ensemble haben hier alles richtig gemacht. Ihnen gebührt großes Lob und Dank dafür, mutig ein ganz neues Stück auf die Bühne gebracht zu haben. Diese Inszenierung wird dem TTT hoffentlich viele Gäste und Förderer bescheren. Denn für den Umbau der Spielstätte im alten Goldzack-Gebäude muss das Theater 200.000 Euro Eigenanteil aufbringen.

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