Nach Toreschluss — die Wochenend-Satire Ein Weihnachtsheld

Wuppertal · Diese Woche habe ich gelesen, dass der Weihnachtsmann heute mit seinem Schlitten zum Weihnachtsdorf am Toelleturm kommt. Dat bringt nix. Er sollte besser einen Rasenmäher ranschaffen, weil bei 15 Grad das Gras in den Barmer Anlagen schon wieder zu wachsen beginnt.

 Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Foto: Bettina Osswald

Klimawandel ist, wenn der Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt nicht dampft, obwohl er glühend heiß in den Becher kommt. Und die für eine Wetterfee zu wuchtige Claudia Kleinert hat gestern Abend auch noch ganz ausführlich erklärt, dass Frau Holle auch über Weihnachten Karibikurlaub macht. Unter dem Tannenbaum singen wir dann alle: "Schneeflöckchen, Weißröckchen, du kommst nicht geschneit. Du bist jetzt verflüssigt, das tut uns sehr leid..." Und danach sagt Dicki das berühmte Knecht-Ruprecht-Weihnachtsgedicht von Theodor Storm in der 2015er-Version auf: "Von drauß' von Klauser komm' ich her. Ich kaufte mir Flip-Flops, Stiefel brauch' ich nicht mehr."

Kann man auch unter diesen schwierigen Bedingungen überhaupt noch irgendwo einen weihnachtlichen Hoffnungsschimmer ausmachen, bei dem uns nicht nur wegen der Außentemperaturen warm ums Herz wird? Keine Sorge, ich habe einen gefunden: Am Mittwoch postete nämlich jemand auf Youtube eine erstaunliche Tonaufnahme, die offenbar bei einer Schwebebahnfahrt entstanden ist. Sie präsentiert einen Schwebebahnfahrer, der die Stationen in einzigartiger Form mit einer Art Sprechgesang und launigen Sprüchlein ansagt: "Und wir faaaahren Zoo-Stadiooon" — "Ruckzuck sin wor anne Varresebäääck!" — "Nächster Halt: Westende - man sagt, hier steppt der Bääär." Letzteres ist mir zwar eher neu. Aber so beschwingt, wie der Pilot das rüberbringt, möchte man ganz einfach sofort aussteigen und ins bekannte Amüsierviertel "Westende" eintauchen.

Das wäre allerdings schade, weil man dann die nächsten Ansagen verpasst hätte: "Darf ich vorstellen, das Ziel: Pestalozzistraaaßööö". Und vor allem das sensationelle: "Nächster Halt Roooooobächt-Daum-Platz" im Orginal-Tonfall des Fleisch gewordenen Millionärs-Blondinenwitzes Carmen Geiss.
Man haut sich gerade noch auf die Schenkel, da folgt schon der fröhliche Hinweis: "Nun kommen wir zur Ohligsmühle und zur Stadthalle. Von hier aus erreichen sie auch den Weihnachtsmaaaarkt." Und hinter dem Döppersberg begrüßt der beste Wuppertal-Botschafter aller Zeiten die vielen neu zugestiegen Fahrgäste mit "Schön, dass Sie alle wieder da sind, nun kommen wir zur Kluuuuse!"

Leider endet der kleine Clip hier. Mich hätte sehr interessiert, was unser Freud noch so zu sagen hatte. Aber schon dieses geniale Best-Of wäre eine Beförderung oder eine Weihnachtsprämie wert. Da macht einer in 45 Sekunden mehr Werbung für Wuppertal als öffentliche Stellen in 45 Monaten. Wenn Sie auch mal reinhören wollen: hier klicken!

Wenn ich diesen Weihnachtshelden des ÖPNV mit dem Ansager bei meiner letzten Zugfahrt vergleiche, bin ich richtig stolz auf Wuppertal. Damals hielt der Intercity plötzlich auf offener Strecke, dann schnarrte ein von jahrzehntelanger Fronarbeit unter der Knute der Deutschen Bahn gebrochener Schaffner einen Satz in den Lautsprecher, wie er nur von verbeamteten Fahrdienstleitungen ausgedacht werden kann: "Aufgrund einer Befehlsentgegennahme verzögert sich die Weiterfahrt um wenige Minuten ..."

Sowas würde unser Entertainment-Schwebebahnfahrer niemals sagen. Deshalb erhebe ich jetzt ein Glas kalten Riesling auf ihn und feiere bei 15 Grad einfach Weißweinnachten statt weiße Weihnachten. Vielleicht meldet sich der Mann ja mal bei uns. Ihn sollten mehr als die bisher 8.000 Youtube-User in zwei Tagen kennenlernen.

Bis die Tage!

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