Nach Toreschluss - die Wochenend-Satire BetrSichV

"BetrSichV" — ein Wort wie ein über Schiefertafeln kratzender Fingernagel. Nach seiner Aussprache braucht man mehrere Liter Wasser, bis sich der Flüssigkeitsgehalt im Mundraum wieder normalisiert. So ein Wort kann nichts Gutes bedeuten.

 Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Foto: Bettina Osswald

Tut es auch nicht: Die geschmeidige Abkürzung steht für die "Betriebssicherheitsverordnung" aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales von Frau Nahles.

Das reimt sich sehr schön. Ganz im Gegensatz zur Erläuterung dessen, was BetrSichV eigentlich ist. Auf der Homepage des Ministeriums lesen wir dazu folgenden Satz, der so nur von Menschen formuliert werden kann, die zum letzten Mal an der frischen Luft waren, als der Kanzler noch Kohl hieß: "Die Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Bereitstellung von Arbeitsmitteln und deren Benutzung bei der Arbeit, über Sicherheit beim Betrieb überwachungsbedürftiger Anlagen und über die Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes (Betriebssicherheitsverordnung, BetrSichV) enthält Arbeitsschutzanforderungen für die Benutzung von Arbeitsmitteln und für den Betrieb überwachungsbedürftiger Anlagen im Sinne des Arbeitsschutzes."

Übersetzt heißt das: Die Paternoster in den Rathäusern von Barmen und Elberfeld müssen ab Montag stillgelegt werden. Die Teile funktionieren seit mehr als einem halben Jahrhundert problemlos und seit 1999 komplett unfallfrei, weshalb es offensichtlich höchste Zeit ist, ihren Betrieb aus Sicherheitsgründen deutlich zu erschweren. Die BetrSichV sieht zu diesem Zweck vor, dass ab 1. Juni Paternoster nur noch von vorher sicherheitstechnisch eingewiesenen Mitarbeitern und Besuchern benutzt werden dürfen.

Das wirft zum einen die Frage auf, ob wir statt der Paternosternutzer nicht lieber den dafür zuständigen Beamten des Arbeitsministeriums einweisen. Und zum anderen die, wie eine Paternosternutzerschulung genau aussehen könnte. Paternosterfahren ist ja tendenziell eigentlich eine lösbare Aufgabe: Man muss einsteigen und dann idealerweise auf einer anderen Etage wieder aussteigen. Dieser höchst komplexe Vorgang hat in den letzten 16 Jahren bei vermutlich einigen Milliarden Fahrten in Barmen und Elberfeld problemlos, aber wohl eher intuitiv geklappt. In Zukunft würde er aber eine Art Paternosterführerscheinprüfung voraussetzen, obwohl man als Paternosternutzer nach meinem Eindruck nur sehr begrenzt Einfluss auf den Fahrtverlauf nehmen kann.

Ich vermute daher eher, dass Besucher künftig im Rathaus von städtischen Paternoster-Stewardessen empfangen werden, die ähnlich wie vor dem Flugzeugstart auf Deutsch und in einer Art Englisch alle Sicherheitsaspekte erklären: "Lehdis änt Dschentelmän, sis Fathernoster has no Emörtschenzi-Exit änt ju will feint no Leifwest ander jur Sieht, bikos it is überflüssig."

Dazu verteilen sie Faltblätter, in denen davor gewarnt wird, zwischen den Etagen auszusteigen oder mit der Kabine riskante Überholmanöver zu versuchen. Danach geht es ab zur Helmausgabe und schon kann die wilde Fahrt vom Erdgeschoss in die erste Etage beginnen. Bei der nächsten Novelle der BetrSichV werden dann wahrscheinlich auch noch Fahrpläne gesetzlich vorgeschrieben.

Was Andrea Nahles bei ihrer Verordnung allerdings nicht bedacht hat, ist das Durchschnittsalter der Wuppertaler Verwaltungsmitarbeiter. Weil wir ja schon seit Jahren praktisch keine neuen mehr einstellen dürfen, stehen die vorhandenen überwiegend kurz vor der Pensionierung. Wenn die jetzt immer alle fünf Rathaus-Etagen zu Fuß gehen müssen, dürfte der Beamtenapparat weitgehend zum Erliegen kommen.

"Wir müssen unseren Protest sehr deutlich machen", hat deshalb der Oberbürgermeister bereits angekündigt und will damit dem Ministerium Druck machen. Das ist sehr leichtsinnig, denn es könnte sich in diesem Fall bei Peter Jung um ein ortsbewegliches Druckgerät gemäß § 23 BetrSichV handeln, dessen innerbetrieblicher Einsatz ebenfalls besonderen Vorschriften unterliegt. Am Ende wird er wiedergewählt und darf trotzdem nicht mehr ins Rathaus ...

Bis die Tage!

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