Kommentar 32 Fragen zum Tanztheater: Wer gibt die Antworten?

Wuppertal · Am Montag tagt der Beirat des Tanztheaters — bestehend aus Ursula Schulz (SPD), Heiner Fragemann (SPD), Rolf-Jürgen Köster (CDU), Peter Vorsteher (Grüne), Matthias Nocke (Kulturdezernent/CDU), Andreas Mucke (Oberbürgermeister/SPD), Bettina Milz als Vertreterin des Landes NRW und Madeline Ritter als Vertreterin der Pina-Bausch-Foundation.

 Adolphe Binder.

Adolphe Binder.

Foto: Jens Grossmann

Es ist das erste Mal seit Mitte Juli. Damals hatten sich die Mitglieder des Kontrollgremiums, das hier einen Aufsichtsrat ersetzt, mit Ausnahme von Peter Vorsteher (Grüne) für die fristlose Kündigung der Intendantin Adolphe Binder (Foto oben: Jens Grossmann) ausgesprochen. Die Gründe dafür blieben nebulös.

Beirats-Vorsitzende Ursula Schulz sprach damals gegenüber der Rundschau von "zerrütteten Verhältnissen", Kulturdezernent Matthias Nocke sagt im Interview mit der Webseite "tanzweb.org", "die Existenz der Compagnie, so wie wir sie heute kennen" habe auf dem Spiel gestanden und "die Implosion der Compagnie" wäre "der größte anzunehmende Unfall gewesen".

Allerdings: Worin genau die Gefahr bestanden haben soll, das wird bis heute an keiner Stelle konkret benannt. Auch wie es zu den "zerrütteten Verhältnisse" kam, wird verschwiegen.

 Rundschau-Redakteurin Nicole Bolz.

Rundschau-Redakteurin Nicole Bolz.

Foto: Bettina Osswald

Doch wo es keine klaren Antworten gibt, muss man — ganz im Sinne Pina Bauschs — vielleicht einfach mehr Fragen stellen:

- Hat der Beirat Akteneinsicht genommen?

- Auf welcher Grundlage hat Beirat der seine Entscheidung getroffen, der Intendantin Adolphe Binder die Kündigung auszusprechen?

- Wurden die Vorwürfe gegen Binder aus dem mehrseitigen Aktenvermerk jemals überprüft?

- Hat man Adolphe Binder außer zum Spielplan auch zu den weiteren Vorwürfen beziehungsweise zu den "zerrütteten Verhältnissen" befragt?

- Wenn nein, warum nicht?

- Liegt dem Beirat ein Mail-Wechsel zwischen Adolphe Binder einerseits und dem Prokuristen Christoph Fries sowie dem Geschäftsführer Dirk Hesse und Johannes Slawig andererseits vor?

- Christoph Fries wurde im Februar 2018 als Prokurist und "Projektleiter Transformation" eingestellt. Was genau war seine Aufgabe am Tanztheater Pina Bausch?

- Worin bestand seine Rolle im "Transformationsprozess"?

- Musste der Beirat seiner Einstellung nicht zustimmen?

- Apropos: Welche Rechte und Pflichten hat eigentlich der Beirat?

- Es wurde immer wieder von einer "gescheiterten Mediation" mit Adolphe Binder gesprochen. Haben sich die Beiratsmitglieder dieses Papier angesehen, um zu prüfen, ob das stimmt — und was die Gründe für das schwierige Verhältnis zwischen der Intendantin und dem Geschäftsführer waren?

- Welche Probleme hat die Mediatorin ausgemacht?

- Waren diese Probleme vornehmlich struktureller Art?

- Hat man sich vor der Einstellung von Adolphe Binder damit beschäftigt, was genau ihre Aufgaben sind, wie man sie integriert und wie die Machtverhältnisse zwischen ihr und dem Geschäftsführer sind?

- Hat man nach Ende dieser "Mediation" versucht, die darin angesprochenen Konflikte zu lösen oder hatte man gar kein Interesse daran?

- Ist es das Verständnis des Tanztheaters Pina Bausch, seine Intendantin (und auch künftige Intendanten) möglichst klein zu halten?

- Handelt es sich bei den Problemen, die das Tanztheater Pina Bausch hat, tatsächlich um welche, für die die Intendantin verantwortlich war?

- Oder hat sie die vorhandenen Probleme durch ihr Erscheinen und ihre Arbeit nur zum Vorschein gebracht?

- Waren dies vielleicht Probleme, wie sie einerseits an vielen Compagnien (wer darf tanzen, wer nicht?) und Arbeitsstätten (wer hat mir was zu sagen? Ist jemand unbeliebt, weil er auch unbequeme Entscheidungen trifft?) üblich, und die speziell am Tanztheater Wuppertal in den vergangenen neun Jahren nach dem Tod von Pina Bausch gewachsen sind?

- Haben der Geschäftsführer und der Gesellschafter in den vergangenen Jahren den Transformationsprozess vorbereitet und klare Verbindlichkeiten zwischen den einzelnen Beteiligten geschaffen: Tanztheater — Foundation — Tanzzentrum?

- Welche Rolle spielen Salomon Bausch und die Foundation in diesem Spannungsfeld?

- Was wäre das Tanzzentrum ohne den Namen Pina Bausch?

- Gibt Salomon Bausch den Namen dafür? Wenn ja, zu welchen Bedingungen?

- Wenn die Stadt das Geld für eine laufende Finanzierung des Tanzzentrums nicht gestemmt bekommt und das ganze Projekt daher platzt: Was geschieht dann mit dem Gebäude des Schauspielhauses?

- Ab wann waren OB Mucke und der Kulturdezernent Matthias Nocke über die Vorfälle informiert?

- Haben sie versucht, Lösungen zu finden, die allen Beteiligten gerecht werden?

- Ist es wirklich denkbar, dass ein Geschäftsführer mit Hilfe des Gesellschafters in Person von Johannes Slawig solche Geschütze auffährt, nur um jemanden loszuwerden, mit dem ein Teil der Belegschaft nicht so gut kann?

- Hat demnach überhaupt jemand eine Chance in diesem legendären Tanztheater, der nicht Pina Bausch ist und dennoch Entscheidungen trifft, Ansprüche an die Arbeitsleistung hat und tut, wofür er geholt wurde beziehungsweise wird: Die Aufgaben eines Intendanten beziehungsweise einer Intendantin wahrnehmen?

- Ach ja: Warum kam es bereits 2014 mit Lutz Förster als Künstlerischem Leiter zu Konflikten mit Geschäftsführer Dirk Hesse?

- Nach welchen Prinzipien trifft die Stadt als alleiniger Gesellschafter des Tanztheaters ihre Entscheidungen über die Compagnie? Spielt die Kunst dabei überhaupt eine Rolle?

- Was würde Pina Bausch angesichts dieser Vorgänge in ihrer Compagnie wohl denken?

- Und: Ist das alles nicht furchtbar traurig?

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