Meinung Mitreden statt meckern

Wuppertal · Ein Kommentar zur Bürgerbeteiligung — mit ihrer Bürgerwerkstatt-Premiere

 Rundschau-Redakteur Stefan Seitz.

Rundschau-Redakteur Stefan Seitz.

Foto: Bettina Osswald

Einer der Zentralsätze am Freitagabend, als das Seilbahn-Bürgergutachten im Rathaus offiziell übergeben wurde, kam von Nicolas Bach. Der gehört zum Team des Institutes, das die Bürgerwerkstatt durchführte. Bach: "Das ist keine Meinungsumfrage, kein Schnellschuss aus der Hüfte." Und — deswegen — an die Stadtpolitiker gerichtet: "Bitte nehmen Sie dieses Gutachten ernst!"

Recht hat der Mann. Vier Tage lang waren 48 ganz unterschiedliche Wuppertaler (Männer, Frauen, Jüngere, Ältere, verschiedenste Berufsgruppen) mit dem Thema beschäftigt: Herausgekommen ist ein facettenreiches 68-Seiten-Gutachten, das bis ins kleinste Detail ein sowohl positives als auch kritisches und nachdenkliches Meinungsbild liefert. Wuppertal, wo in den 70er Jahren die Bürgerwerkstatt (beziehungsweise Planungszelle) erfunden wurde, hat jetzt wertvolles Neuland betreten. Professionelle, durchdachte Bürgerbeteiligung steht damit endgültig auf der Tagesordnung. Erst vor einem Jahr hat die Stadt sich mit einem neuen Dezernenten und dessen Team selbst auf diese Schiene gesetzt: Und schon ist der Zug im ersten (Haupt-)Bahnhof.

Klar ist: Die Seilbahn-Bürgerwerkstatt darf kein Einzelfall bleiben. Das Verfahren (wenn auch eventuell einen Tag kürzer) eignet sich, um viele Stadt-Probleme aus der Sicht ihrer Menschen zu beleuchten. Weil bei der Teilnehmerauswahl das Zufallsprinzip herrscht, weil die persönliche Betroffenheit nicht im Mittelpunkt steht, weil es viele (kurze!) Expertenvorträge und immer wieder unmoderierte Diskussionen zwischen den Bürgerwerkstattteilnehmern gibt. Das alles bringt ein echtes Meinungsbild. Aus dem können Politiker ablesen, was die Menschen einer Stadt (mehrheitlich) denken. Dazu passt ein Satz aus der Rundschau vom 2. November. Dort hatte Werkstatt-Teilnehmerin Ute Krupp gesagt: "Ich bin sicher, dass auch eine anders zusammengesetzte Gruppe zum gleichen Ergebnis gekommen wäre."

Die Wuppertaler Bürgerbeteiligung an sich, ihre mehreren Verfahren vom Berliner Platz bis zum Bürgerhaushalt, ihre Verantwortlichen, ja sogar die Teilnehmer der Bürgerwerkstatt sind oft öffentlich angegriffen und sogar verunglimpft worden. Das ist unverständlich und unerträglich. Wuppertal wagt seit ein paar Monaten einen ganz wichtigen Weg zur echten Beteiligung seiner Bürger. Die, die für diesen Weg stehen, sich für ihn einsetzen, absichtlich nicht verstehen zu wollen, bewusst fehlzuinterpretieren und verbal zu bespucken, ist eine üble Masche. Sie zieht sich leider durch zahlreiche Kreise und Gruppen in Politik, Bürgerschaft und Medien, in denen man üblicherweise ausreichende Intelligenz vermutet. Unbegreiflich!

Ich hoffe, dass die jetzt durchgeführte erste Bürgerwerkstatt Signal- und Symbolwirkung hat: Bürgerbeteiligung geht. Sie klappt und sie bringt etwas. Man muss sich allerdings auf sie einlassen. Mitreden ist etwas komplett anderes als meckern. Mitreden hat mit mitdenken zu tun. Das ist anstrengend, braucht Zeit und echtes Engagement. Bürgerbeteiligung ist kein Palaver und kein Laber-Labor. Bürgerbeteiligung ist kein Schnellschuss aus der Hüfte. Ganz im Gegenteil.

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