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Das China-Tagebuch - Teil 1-4

Das China-Tagebuch - Teil 1-4

Rundschau-Redaktionsleiter Hendrik Walder begleitet zurzeit eine städtische Delegation, die in China die vorhandenen Kontakte zu befreundeten Städten ausbaut und Wuppertal als Wirtschaftsstandort präsentiert.

Was er jenseits der zahlreichen offiziellen Termin erlebt, erfahren Sie in den nächsten sieben Tagen an dieser Stelle.

"Welcome aboard", Teil 1

Glauben Sie bitte nur nicht, eine Delegationsreise wäre eine Vergnügungsfahrt. Das ist Knochenarbeit pur, vor allem, wenn es nach China geht. Da sind ja schon die Reisestrapazen alleine drei Tage Sonderurlaub wert. Zumal, wenn Sie die Anreise zum Frankfurter Flughafen mit der Bahn nehmen! Mehr muss ich wohl nicht sagen. Und wenn man dann trotzdem den Flieger bekommt, ist der natürlich voller Chinesen. Das ist an sich kein Problem, das sind schließlich fröhliche Zeitgenossen. Mein Nachbar beispielsweise strahlt mich an, steckt seinen Ohrhörer in meine Buchse und guckt mit hörbarer Begeisterung einen ebenso blutrünstigen wie sinnfreien asiatischen Actionstreifen. Währenddessen betrachte ich preußisch korrekt die von zwei entzückenden Stewardessen vorgetragenen Sicherheitsinstruktionen - mit dem gleichen natürlichen Lächeln und exakt parallelen Bewegungsabläufen, wie bei den chinesischen Olympiasiegerinnen im Synchronschwimmen, nur ohne Nasenklammer. Und untermalt von sanften Saitenklängen, die auch den Sauerstoffmaskenalarm bei plötzlichem Druckabfall in der Kabine musikalisch kontrapunktieren. Selbst die Notwasserung, nach der man eine fröhliche Rutschpartie ins Meer unternehmen kann, schreckt mich bei dieser fernöstlichen Entspannungsmusik nicht im geringsten. Stop mal eben, jetzt müssen alle elektronischen Geräte ausgestellt werden, das könnte zumindest der Sinn der englischen Worte unserer Chefstewardess gewesen sein. Aber bleiben Sie dran, ich melde mich wieder.

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"Welcome aboard", Teil 2

So, habe mich soeben mit meinem fröhlichen Nachbarn verständigt, er nimmt jetzt seine eigene Lautsprecherbuchse an der gegenüberliegenden Armlehne,. Das hat obendrein den Vorteil, dass er jetzt auch das Programm hört, das auf seinem Bildschirm abläuft. Auf der Rückenlehne meines Vordermanns läuft unterdessen immer noch das Testbild, mit dem mich Air China begrüßt: "Welcome aboard" heißt es dort — zusätzlich auf Chinesisch. Dabei handelt es sich um eine bildhafte Sprache, hat uns der Direktor des Düsseldorfer Konfuzius-Instituts im Vorfeld erklärt. Wenn man das weiß, ist es auch gar nicht schwer zu lesen. Da die Chinesen von rechts nach links schreiben, erkennen wir ("Welcome") rechtsaußen die "Willkommen-Szene": Ein fremder Mann (mit einer Schlange, einem Drachen oder seiner Frau) geht mit offenen Armen auf eine (2. Schriftszeichen v.r.) chinesische Herbergsmutter zu, die ihn ebenso herzlich empfängt. Im Anschluss zeigt ("aboard") die zweite Abbildung von rechts einen Blick aus der Luft auf einen Steg an der Felsenküste, an dem links und rechts je ein Boot liegt. Ganz links wollen ein Vater mit Sohn an Bord eines dieser Schiffe, laufen aber unglücklicherweise in die falsche Richtung.

Apropos falsche Richtung. Wie ich soeben erfahre, drehen die Chinesen die Reihenfolge der Zeichen auch schon mal um. Etwa, wenn es um Namen oder Slogans geht. Ist aber nicht schlimm, denn links erkennen wir eigentlich das "Welcome": Eine Mutter mit ihrer langhaarigen Tochter läuft auf ein Fabelwesen zu, das schon den Mund zum Willkommenskuss spitzt. Im Anschluss bläst ein Matrose auf der Trompete zum Ablegen ("abroad), während ganz rechts ein Schwan mit einem langen Ticket im Schnabel zwei Sprossen einer kleinen Leiter entgegenstrebt, um noch mitzukommen. Sie merken also, chinesisch zu lesen ist weiter nicht schwierig, anders verhält es sich mit dem gesprochenen Wort...

"Welcome aboard", Teil 3

Die niedlichen Lautsprecherdurchsagen der Flugbegleiterin habe ich wohl schon erwähnt. Ihr Englisch ähnelt ihrem Chinesisch, ich kann leider beides nicht verstehen. Zum Glück haben wir aber eine deutsch sprechende Stewardess in der Crew bei diesem Frankfurt-Peking-Flug. Ihre Ansagen sind nicht nur erfrischend kurz, sondern auch in tadellosem Deutsch vorgetragen. Genau genommen in einer Art Schwyzer-Deutsch. Entweder hat der reiche Papa die junge Dame nach Zürich zur Ausbildung geschickt oder sie hat in dem üppigen Filmangebot der Linie zu oft "Heidi" geschaut. Das zählt nämlich mit zu den rund 150 Titeln, die neben asiatischen Action- oder Romantik-Streifen von der Alm-Heidi bis Spiderman und von Captain America bis Fever reichen. Letzteres ist ein deutscher Spiefilm mit Eva Mattes und Martin Wuttke, der jüngst bei der Berlinale uraufgeführt wurde. Dass ich ihn nicht bis zu Ende sehe, liegt an meiner wachsenden Müdigkeit und der vermutlich instinktiven Furcht vor der Fieberkontrolle am Pekinger Flughafen.

Als ich wieder aufwache, überfliegen wir soeben den Kometen Rosetta. Offensichtlich hat sich der Pilot in der Finsternis verflogen. Menschliches Leben ist in dieser karstigen Gebirgslandschaft erkennbar nicht möglich. Die GPS-Karte vor mir entlastet jedoch den Flugkapitän, danach befinden wir uns tatsächlich in der Nähe von Langfang, einen Ort, den ich bisher nur als Kalauer kannte. Was heißt Ladendiebstahl auf chinesisch? Langfingfang. Tatsächlich ist diese Stadt deutlich größer als Berlin, hat aber sicherlich weniger Kriminelle.

Zum Frühstück gibt es pancakes, weil ich die Alternative nicht verstehe, Dahinter verbirgt sich ein Kaiserschmarrn in Karamellsauce, was insofern passt, als der letzte chinesische Kaiser beim Verzehr derselben sicherlich ausgerufen hat: "Was für ein Schmarrn!" Und alle 30 Köche hat köpfen lassen. Ich würde mich dagegen mit dem Köpfen eines gekochten Frühstückseis begnügen, weiß aber natürlich überhaupt nicht, was das auf Chinesisch heißt...

"Welcome aboard", Teil 4

Viele Chinesen beginnen den Tag mit meditativ anmutenden Tai Chi Übungen. Davon lassen sie sich auch nicht abbringen, weil sie zufällig in einem Flugzeug sitzen. Während sich manche eingekeilt auf dem Mittelplatz damit begnügen, Hals- und Schulterpartie so weit es geht auszukugeln, imitieren andere auf dem Gang die geschmeidig-langsamen, weit ausholenden Bewegungen eines Vorturners auf dem Monitor. Ähnlich erstaunt wie ich diese Szenen betrachte, schauen wenig später die Passagiere auf dem Pekinger Flughafen, als ich ihnen unfreiwillig meine europäische Form des Frühsports präsentiere. Da ich den zeitgleichen Weiterflug einer anderen Fluglinie angesteuert habe, muss ich minutenlang im Sprinttempo mit Mantel und Koffer zum richtigen Gate am anderen Ende des Terminals rennen. Und dank der freundlichen Anfeuerung durch die Last-Call-Lautsprecheransage für Mister Walder, wissen die Zuschauer auch gleich, um welche angegraute Olympia-Hoffnung es sich hier handelt.

Der Weiterflug nach Hongkong ist weniger abenteuerlich, auch weil die Landung nach dem Bau des neuen Flughafens keinen speziellen Pilotenschein mehr erfordert. Noch bis 1998 führte der Landeanflug so nah an den Wolkenkratzern vorbei, dass die Fahrgäste ähnlich denen der Schwebebahn im Vohwinkler Teil dem Abendessen auf den Tischen oder anderen Intimitäten gewahr werden konnten. Jetzt landen täglich 450 Maschinen auf einer Insel, die nur einen Steinwurf entfernt von Hochhaussiedlungen begrenzt wurde, in denen man sämtliche Einwohner Düsseldorfs unterbringen könnte — eine reizvolle Vorstellung...