Kurioser Prozess Täter war "auf Felgenreiniger"

Wuppertal · Freispruch in einem Strafprozess um eine Elberfelder Unfallfahrt mit anschließender Flucht: Der Angeklagte trank regelmäßig Felgenreiniger für Autos. Er war deshalb schuldunfähig, weil er nicht wusste, was er tat.

 Das Wuppertaler Amtsgericht.

Das Wuppertaler Amtsgericht.

Foto: ag-wuppertal.nrw.de

Grund für den Prozess: Der Mittvierziger hatte am 12. Juni 2015 einen leichten Unfall auf Küllenhahn verursacht. Die Polizei suchte ihn zu Hause auf, weil Zeugen sein Kennzeichen notiert hatten. Die Beamten, darunter Oberkommissarin Hanna Meyerratken, fanden an seiner Adresse einen schief eingeparkten Pkw mit einem Rad in der Luft. Und den sehr verwirrten Angeklagten.

Der empfing die Streifenwagenbesatzung im Treppenhaus — und ließ prompt die Wohnungstür hinter sich ins Schloss fallen. Die Polizisten kletterten für den Angeklagten durch ein Fenster in die Wohnung und öffneten von Innen. Eine Zeugin: "Wir mussten ihm alles mehrfach erklären. Er hat sich zwischendurch gebückt, um Sachen aufzuheben, aber da lag nichts."

Auf einer Polizeiwache wurde dem Mittvierziger der Autoschlüssel abgenommen. Aber es war nicht klar, ob er sein Fahrverbot verstanden hatte. Tatsächlich führte dieser Ablauf eine halbe Stunde später zu einem "Folgeeinsatz". Nahe der Wohnung des Angeklagten beobachteten Nachbarn, dass er mehrere Autos aufschließen wollte. Wie sich später herausstellte, mit seinem Wohnungsschlüssel. Die Polizei sprach nochmals mit dem Mann, ein Arzt untersuchte ihn auf Gefährlichkeit. Die lag nicht vor und Schaden war in diesem Fall zum Glück keiner entstanden.

Die Sache mit den Schlafstörungen konnte Gerichtspsychiater Dr. Michael Willmann aufklären. Einige der üblicherweise grellbunten Reiniger-Flüssigkeiten, verkauft in Sprühflaschen und Kanistern, enthalten Buttersäure. Die riecht übel, wirkt aber bei Einnahme aufs Gehirn: "Der Effekt ist ähnlich wie bei Valium. Oder bei K.-O.-Tropfen." Das Gesundheitsrisiko sei hoch. Allerdings ergebe sich so eben die Schuldunfähigkeit. Willmann fügte hinzu, der Mann dürfe inzwischen aus seiner medizinischen Sicht durchaus wieder fahren: "Er trinkt das seit 2015 nicht mehr. Das war ein punktuelles Ereignis."

Richter Christopher Hörster fragte — sichtlich befremdet — beim Angeklagten nach: "Hätten Sie nicht 'ne Flasche Wein trinken können?" Die Antwort des Mannes: Durch den Reiniger habe er Alkohol "absetzen" können. Den Grund für die extreme Schlaflosigkeit wisse er nicht.

Den Freispruch hatten Verteidiger Clemens Dorka und die Staatsanwaltschaft übereinstimmend beantragt. Wird er rechtskräftig, trägt die Landeskasse die Kosten des Verfahrens. Die Haftung für den Unfall wird in anderen Prozessen geklärt. Der Angeklagte darf weiter fahren, soll aber was anderes trinken.

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