Schwere Vorwürfe gegen die Polizei Messerattacke am AZ: Kein Zeugenschutz und fehlende Fakten

Wuppertal · Das Verfahren um einen beinahe tödlichen Messerangriff auf einen Linken am Autonomen Zentrum (AZ) steht vor dem Abschluss. Polizisten-Aussagen vor dem Landgericht belegen womöglich ernste Fehler der eigenen Behörde.

 Die Spurensuche nach der Attacke.

Die Spurensuche nach der Attacke.

Foto: Holger Battefeld

Im Prozess um eine fast tödliche Messerattacke von Rechten im April am Autonomen Zentrum (AZ) an der Gathe sind die ersten Plädoyers gehalten: Ein 25-jähriger Angeklagter — angehender Koch mit Vergangenheit in der NPD — muss mit zehn Jahren Gefängnis rechnen; für zwei Mitangeklagte (39 und 43 Jahre alt), aktiv bei Hooligans gegen Salafisten (Hogesa), sind Haft- und Bewährungsstrafen gefordert.

Laut Ärzten wird der Verletzte, ein politisch links eingestellter Gastwirt (53) aus der Nordstadt, auf Dauer unter den Folgen der Tat leiden. Anhand der Beweisaufnahme vor Gericht ist aber auch klar: Es gab Fehler bei den Ermittlungen, die Zeugen gefährdeten und die Aufklärung hätten scheitern lassen können. Und es gab eine massive Irreführung der Öffentlichkeit.

Akten belegen, dass die Kriminalpolizei schon im vergangenen Januar im Internet mitverfolgt hat, wie Rechte einen Angriff auf das AZ diskutierten: bis hin zu einer Brandsatz-Attacke bei vollem Haus während eines Konzertes. Die Namen der Chat-Gruppen: "Arische Rasse 88", "Hogesa Bergisches Land", "Antifa-Feier sprengen". Entsprechende Beweise wurden bei dem 43-Jährigen sichergestellt. Nur standen diese Fakten nicht zur Verfügung, als Ermittler im April die Angeklagten befragten — das hat ein Beamter im Zeugenstand berichtet. Auf Nachfrage von Opfer-Anwältin Anne Meier bestätigte er: "Ich hätte erwartet, über so etwas informiert zu werden."

 Kundgebung am Tatort vor dem Autonomen Zentrum an der Gathe im Oktober 2015. Die Teilnehmer werten die Messerattacke von Rechten als Mordversuch.

Kundgebung am Tatort vor dem Autonomen Zentrum an der Gathe im Oktober 2015. Die Teilnehmer werten die Messerattacke von Rechten als Mordversuch.

Foto: Dirk Lotze

Als völlig nutzlos stellte sich der Zeugenschutz für drei Passanten heraus, die das Geschehen am AZ beobachtet hatten: Sie sollten aus Sorge um ihre Sicherheit anonym bleiben, aber ihre Namen landeten in der Ermittlungsakte — wo sie die Angeklagten nachlesen konnten. Massiver Druck auf Zeugen durch das Umfeld von rechten Tätern in Wuppertal ist in anderen Strafverfahren bereits bekannt geworden.

Ebenfalls klar ist inzwischen, dass an einer ersten öffentlichen Mitteilung der Polizei vom Tattag kaum mehr als das Datum stimmte: Es gab keinen Schlagstock- und Pfefferspray-Einsatz gegen AZ-Besucher, mit dem den Rettungskräften der Weg zum Verletzten quasi freigekämpft worden wäre. Es gab allerdings den wohl irrtümlichen Befehl eines leitenden Polizisten im voll besetzten Flurbereich: "Rettungskräfte raus!" Das belegen Aussagen der Sanitäter.

Das Gericht hat erklärt, dass es diesen Punkten nicht nachgehen wird. Der Vorsitzende Richter Robert Bertling: "Das betrifft nicht das Kerngeschehen." Es geht eben um die Vorwürfe gegen die drei Angeklagten.

Weitere Plädoyers und voraussichtlich das Urteil folgen am 3. Februar 2016 ab 9.15 Uhr im Gerichtszentrum am Eiland, Saal J16EG.

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