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Jobcenter: Zu harte Strafen?

Jobcenter: Zu harte Strafen?

Verhängt das Wuppertaler Jobcenter zu leichtfertig Sanktionen gegen Menschen, die das Geld bitter nötig haben? Diesen Vorwurf erhebt der Vorsitzende des Erwerbslosenvereins "Tacheles", Harald Thomé: Er beklagt eine "härtere Gangart gegenüber Leistungsberechtigten".

Thomé schließt das aus der statistischen Sanktionsquote, die seit Juni 2014 monatlich immer mehr als ein Prozent über dem Landesdurchschnitt lag und im September bei 4,1 Prozent landete (NRW: 2,3 Prozent). Es gebe im Land nur zwei Jobcenter, die mehr Strafen verhängten, so Thomé.

Sanktionen kann das Jobcenter aussprechen, wenn sich Leistungsbezieher nicht melden oder vorgeschlagene Arbeit nicht annehmen. Dann wird ihnen prozentual ein Teil der Summe abgezogen, die sie beziehen. In der Jobcenter-Zentrale an der Bachstraße werden die Vorwürfe mit großem Unverständnis zurückgewiesen. "Von mehr als 33.000 Leistungsbeziehern werden 96 Prozent nicht sanktioniert", zieht Jobcenter-Chef Thomas Lenz den Umkehrschluss.

Schwerer wiegen zwei weitere Argumente. Erstens die Ursachen für Sanktionen. "Weit über 80 Prozent der Menschen, die wir sanktionieren, werden eingeschränkt, weil sie sich nicht zurückmelden. Nicht etwa, weil sie eine Arbeit nicht annehmen oder nicht zu einer Maßnahme erscheinen", sagt Lenz. Es dauere bis zu einem halben Jahr, bis Sanktionen verhängt werden.

  • Mitarbeitende der GBA bei der Beseitigung
    Projekt „Fluthilfe“ : Jobcenter unterstützt bei der Beseitigung von Flutschäden
  • Thomas Lenz ist Vorstandsvorsitzender des Jobcenters
    Donnerstag und Freitag : In Wuppertal: Fachkongress zu Jobcentern
  • Symbolbild.
    Modellprojekt in Wuppertal : Kampf gegen organisierten Sozialhilfemissbrauch

Harald Thomé hatte kritisiert, dass "die Arbeitslosenverwaltung bei der Entscheidung über den Entzug der Leistung nicht einmal ein Mindestmaß an Sorgfalt walten" lasse, sondern nach Multiple Choice und nicht im Einzelfall entscheide. Laut Lenz haken die Mitarbeiter aber mehrmals nach, ehe das aufsuchende Fall-Management sogar Einladungen persönlich zustellt. Danach folgt eine Anhörung. Erscheint jemand auch dort nicht, wird sanktioniert.

"Ist es denn so schlimm, wenn sich jemand einmal im Monat bei uns beraten lassen muss?", fragt Lenz im Blick auf die Unter-25-Jährigen, bei denen die monatliche Beratung gesetzlich vorgeschrieben ist. Und weiter: "Kann sich eine Behörde in solchen Fällen zurücklehnen? Ich halte das nicht für gute soziale Arbeit. Wir haben dadurch die Zahl der jungen arbeitslosen Leistungsbezieher von 1.700 auf unter 1.000 gedrückt."

Außerdem gehöre Wuppertal zu den zehn deutschen Städten, die finanziell am geringsten sanktionieren. Im Schnitt zieht das Jobcenter 74,01 Euro ab. Die höchste Summe behält Neumarkt in der Oberpfalz ein — mit 215,89 Euro der Leistungen.

Weiterhin stört Lenz, dass "von Tacheles offensichtlich übersehen wird, wie viele Menschen wir insgesamt aktivieren". Bundesweit liege das Wuppertaler Jobcenter mit einer Quote von 27,8 Prozent auf Platz 1 (NRW: 9 Prozent, Bund: 9,7 Prozent). "Aktivierung" heißt, dass Leistungsbezieher an verschiedenen Maßnahmen teilnehmen, um zurück in den Beruf zu finden. "Wer viel mehr Menschen anspricht, hat natürlich auch eine höhere Quote derer, die darauf nicht anspringen", erklärt Lenz.