Interview über 20 Jahre "börse" an der Wolkenburg "Irgendwie sind wir hier im Niemandsland"

Wuppertal · Seit Lukas Hegemann Geschäftsführer der "börse" ist, scheint frischer Wind durch das Gebäude an der Wolkenburg zu wehen. Die "börse" zeigt sich politisch, mischt im Engels-Jahr mit und öffnet sich dem Stadtteil.

 Lukas Hegemann.

Lukas Hegemann.

Foto: börse

Im nächsten Sommer wird es dort sogar die Möglichkeit geben, abends mal ein Bierchen zu trinken. Einfach so, mit den Nachbarn. Volontärin Hannah Florian traf den neuen Mann an oberster Position und sprach mit ihm über 20 Jahre Kommunikationszentrum an der Wolkenburg, Pläne, Aussichten und über das Engels-Jahr.

Rundschau: Am Samstag feiert die "börse" mit einer großen Party 20 Jahre an der Wolkenburg. Wie lange sind Sie als Geschäftsführer schon hier?

Hegemann: Erst seit 13 Monaten und ein paar Tagen. Ich komme eigentlich aus Düsseldorf und pendle jeden Tag mit der Bahn hin und her.

Rundschau: Ein Düsseldorfer! Wie sind Sie denn in der "börse" gelandet?

Hegemann: Da müssen Sie eigentlich den Vereinsvorstand fragen, der hat mich schließlich ausgesucht.

Rundschau: War Ihnen die "börse" denn vorab bekannt?

Hegemann: Na klar, sie ist eines der ältesten soziokulturellen Zentren Nordrhein-Westfalens. Ich bin in einem sehr ähnlichen Zentrum groß geworden, dem "zakk" in Düsseldorf. Seit meinem 22. Lebensjahr habe ich ständig in und um die Soziokultur herum gearbeitet. Dann kennt man die "börse", das ist sozusagen Pflicht.

Rundschau: Erklären Sie doch mal für jemanden, der auf Anhieb nichts mit dem Begriff Soziokultur anfangen kann, was das eigentlich ist.

Hegemann: Soziokultur fasst Gesellschaft und Kultur zusammen. Ursprünglich wollte sie neben der etablierten Hochkultur einen Platz bieten, an dem Menschen sich mit ihrer Alltagskultur beschäftigen können. Das waren damals Jazzmusiker, die keine Auftrittsorte fanden oder bildende Künstler, die in den etablierten Galerien keine Plätze bekamen. Natürlich geht es dabei oft auch um Politik. Soziokultur ist die Auseinandersetzung mit dem, was gerade in der Gesellschaft passiert.

Rundschau: Im Bereich Politik hat die "vörse" gerade im letzten Jahr ordentlich nachgelegt, Radtouren unter dem Thema "Anders leben" organisiert oder die Veranstaltung "Kulturkampf von rechts". Geht das auf Sie zurück?

Hegemann: Mir sind solche Themen auf jeden Fall wichtig. Wir haben in letzter Zeit unsere Strahlkraft an Institutionen wie den Mirker Bahnhof oder die Färberei abgegeben. Jetzt wollen wir wieder zeigen, was wir machen. Eben auch mit Veranstaltungen wie "Kulturkampf von rechts". Das liegt aber nicht nur an mir, sondern ebenso an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Haus und an der Zeit. Es ist an der Zeit, sich wieder mit solchen Themen zu beschäftigen.

Rundschau: Wie kommt es, das sich die "börse" bisher 44 Jahre lang in Wuppertal halten konnte?

Hegemann: Ein Haus muss darauf achten, die Bezüge zu neuen Entwicklungen nicht zu verlieren. Das haben wir geschafft. Das liegt aber auch in der Arbeit der Soziokultur begründet. Wenn man mit der Zeit geht, kommt nach dem Jazz der Punk und nach der Töpferwerkstatt die Radio- und dann die Internetwerkstatt. Veränderungen rechtzeitig mitzukriegen und mitzumachen gelingt Soziokultur deutlich schneller als zum Beispiel einem Schauspielhaus oder Opernhaus.

Rundschau: Die ersten 24 Jahre gab es die "vörse" an der Viehhofstraße. Seit 20 Jahren nun an der Wolkenburg. Wie wohl fühlen Sie sich an dem jetzigen Standort?

Hegemann: Es gibt viele Leute in Wuppertal, die sagen, die "börse" an der Viehhofstraße, das war die "börse". Und irgendwie sind wir hier im Niemandsland. Eigentlich in Elberfeld, aber wenn wir den Fuß vor die Tür setzen, dann sind wir in Barmen. Die Ecke wird hier nicht so bespielt, dafür haben wir keine Probleme mit den Nachbarn. Vielleicht wird unsere Grenzlage irgendwann zu einem spannenden Ort, zum Beispiel im Engelsjahr. Darauf freuen wir uns schon und haben viel vor.

Rundschau: Können Sie schon etwas verraten?

Hegemann: Sehr wahrscheinlich wird es ein Projekt unter dem Namen Engels-Entdecker geben. Dahinter steckt ein Sticker-Album, mit dem Dinge entdeckt werden sollen, die einen Bezug zu Engels haben. Auf den Entdecker-Touren werden dann Sticker gesammelt. Dann wird es einen Engelsworte-Sonderslam geben, wir fordern Liedermacher und Bands auf, ein Arbeiterlied zu covern, feiern Partys, veranstalten einen Literaturwettbewerb. 200 Jahre Engels und Kommunismus klingen sehr alt. Wir wollen zeigen, dass viele Aspekte doch noch nicht so alt sind und gemeinsam mit den Bürgern feiern.

Rundschau: Wo möchte die "börse" in der Zukunft sonst noch hin?

Hegemann: Spannend ist für uns natürlich noch, wie es mit dem Pina-Bausch-Zentrum weiter geht. Dort soll in direkter Nachbarschaft zu uns ein Bürgerforum entstehen, praktisch eine Neuformulierung von Soziokultur. Es ist für uns wichtig, da nicht nur in der Diskussion dabei zu sein, sondern auch in der Kooperation.

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