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Wuppertaler Filmprojekt: Auf der Suche nach der Sonne

Wuppertaler Filmprojekt : Auf der Suche nach der Sonne

Im Sommer 2016 drehte der Wuppertaler Schauspieler Alexander Peiler mit Jugendlichen aus Palästina und Deutschland einen Film über deren Träume und Hoffnungen. Im Februar hatte "Yalla Baby" in Jerusalem Premiere und ist jetzt zum Dokumentarfilmfestival nach Portugal eingeladen.

Manche Träume haben überlebt.

Sie träumen von Freiheit und Frieden. Steigen auf Leitern und Dächer, binden sich Flügel aus Blättern um, fahren mit Riesenrädern, nur um dem Himmel ein Stück näher zu sein und die Sonne einzufangen. "I am free", jauchzen sie. Ich bin frei. Doch da ist auch diese Mauer, an der die Kamera entlangfährt. 760 Kilometer lang und neun Meter hoch, führt sie einmal ums Westjordanland. Ein "antiislamistischer Schutzwall", der die Grenze zwischen Israel und Palästina markiert — und das Leben dort prägt. Eine Mauer, so unüberwindbar, dass selbst ein Trip ans 45 Kilometer entfernte Meer (etwa die Strecke Wuppertal — Neuss) unerreichbar scheint.

Es sind bewegende Bilder, die der Trailer zum Film "Yalla Baby" zeigt. Vor zwei Jahren in Palästina gedreht, haben der Wuppertaler Schauspieler Alexander Peiler und seine Marburger Kollegin Victoria Schmidt rund eineinhalb Jahre an der Postproduktion gearbeitet. Mitte Februar haben sie ihre 45-minütige Dokumentation schließlich in Ramallah, Jerusalem und Bethlehem vorgestellt. "Die Weltpremiere war in einem kleinen Kino in der Altstadt von Jerusalem", erzählt Peiler, Ensemblemitglied der Wuppertaler Bühnen. Es ist sein erster eigener Film. Gespannt hat er dort im Kinosaal gesessen, ganz hinten, und beobachtet, wie die Zuschauer reagieren auf dieses Experiment. Immerhin seien manche Szenen sehr politisch, sagt der 33-Jährige. Und auch wenn nicht allen Palästinensern gefallen habe, dass der Film neutral bis kritisch die Lebenssituation dort beleuchte, so sei es ein beeindruckendes Erlebnis gewesen.

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Der Film, der in Co-Produktion mit "Light Bridge Productionen" entstanden ist, handelt von vier deutschen und sechs palästinensischen Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren, die gemeinsam versuchen, die Sonne einzufangen. Die Idee geht auf ein palästinensisches Märchen ("Die kleine Laterne") zurück, in dem es um eine Prinzessin geht, die die Sonne fangen soll, um sie als Symbol für Glück und Frieden in ihr Land zu bringen.

Ursprünglich wollte das Team die Geschichte als Theaterstück inszenieren und die Jugendlichen dabei filmen. Doch schnell merkten sie, dass die Ideen der Realität in Palästina nicht Stand hielten. "Es sollte etwa ein palästinensisches Mädchen mit einem deutschen Jungen Hand in Hand über einen Markt laufen, mit ihm singen und tanzen", erinnert sich Alexander Peiler. "Aber Frauen dürfen dort einfach weniger als bei uns. Das muss man nicht gut finden, aber respektieren. Also haben wir unsere Pläne kurzerhand umgeworfen und stattdessen als Gruppe versucht, die Sonne zu fangen." Herausgekommen ist nun eine Geschichte über die Träume und Hoffnungen junger Menschen aus zwei völlig verschiedenen Welten. Rund 200 Stunden Material mussten Peiler und Schmidt sichten, schneiden und mit Untertiteln versehen. "Ich habe gedacht, wir schaffen das nie", erinnert sich der Schauspieler. Dass der Film jetzt fertig ist und bereits dort gezeigt werden konnte, wo er gedreht wurde, das war seine ganz persönliche Belohnung für die Arbeit.

Eine von den Jugendlichen des Projekts ist Fabia Becker. Für die 18-Jährige war die zweiwöchige Reise eine beeindruckende Erfahrung. "Dort an der Mauer zu stehen, war ein krasses Gefühl", versucht sie in Worte zu fassen, was für sie schwer nachzuvollziehen war. "Wir konnten ja im Gegensatz zu denen überall hin und daher nur erahnen, was es heißt, wenn man dort lebt." Obwohl sich Fabia in Palästina sicher gefühlt hat, gab es auch unheimliche Momente. "Man hat schon mal Schüsse in der Ferne gehört, da hat man uns gesagt, es sei eine Hochzeit — und jeder wusste, dass es nicht stimmt." Für sie hat die Erfahrung durchaus etwas bewirkt: "Ich denke mehr über den Konflikt und Politik allgemein nach."

Jetzt freuen sich alle auf Portugal. Denn "Yalla Baby" ist Ende März zum "Rios International Dokumentar Film Festival" nach Porto eingeladen. "Das fühlt sich an, wie die Meisterschaft in der 2. Liga zu gewinnen", witzelt Peiler, der aktuell in "Pension Schöller" und "Warten auf Godot" zu sehen ist. "Die ist auch immer spannender als die 1. Liga!" Er hofft, dass es noch weitere Einladungen zu Festivals geben wird und dass sich auch Verleiher, Kulturschaffende und Kinos melden, die den Film gern zeigen möchten.

Einen bitteren Beigeschmack hat das Projekt. Zentrum des Drehs war die Stadt Jenin und das dortige Kulturprojekt "Cinema Jenin", eine Art Leuchtturm für die Hoffnung in der Nahost-Gewaltspirale. Durch den Wiederaufbau des zerfallenen Kinos wollten die Initiatoren ein Stück Normalität zurückbringen in eine Stadt, die um die Jahrtausendwende als Hochburg der al-Aqsa-Brigaden galt. "Für uns war das Kino die Basis unseres Films", so Peiler melancholisch. Das Symbol des Friedens gibt es nicht mehr. Es wurde Ende 2016 abgerissen.

Im Film gibt es allerdings ein Happy End. Denn die junge Palästinenserin, die noch nie am Meer war, sie erfüllt sich schließlich ihren sehnlichsten Wunsch. "Wir schafften tatsächlich das Unfassbare", sagt Peiler leise, "wir konnten alle miteinander am Meer sein. Vielleicht war das unsere Sonne."