Berührend und beeindruckend

Betr.: Oper „Luisa Miller“, Leserbrief „Klamauk-Vorstellung“

 Klamauk oder anspruchsvolle Kultur: Die heiß diskutierte Wuppertaler Inszenierung von „Luisa Miller“ polarisiert.

Klamauk oder anspruchsvolle Kultur: Die heiß diskutierte Wuppertaler Inszenierung von „Luisa Miller“ polarisiert.

Foto: Jens Grossmann

Herr Kakoschke hat ganz offensichtlich nicht die geringste Ahnung davon, wie Künstlerinnen und Künstler an deutschen Bühnen bezahlt werden (können). Ein Regisseur bekommt einen „Werkvertrag“, das heißt für eine begrenzte Leistung, die er erbringt, eine Summe X. Die muss er zum einen versteuern, zum anderen hat er einen solchen Werkvertrag vielleicht zweimal im Jahr. Rechnet man sein Einkommen dann auf zwölf Monate um, kommt eine Summe zusammen, über die man im Zweifelsfall nur bitterlich weinen kann.

Mit solcher Unkenntnis auch noch Sozialneid zu schüren, ist indiskutabel.

Die Idee, die Einsparung, die durch die Schließung eines Opernbetriebs entsteht, sozialen Zwecken zugutekommen zu lassen, ist weder neu, noch originell oder gar richtig und sinnvoll. Tatsache ist, dass das gesellschaftliche Leben in Deutschland, wie in anderen Ländern auf der Welt auch, wesentlich von (unserer) Kultur geprägt ist. Ohne diese ist keine Gesellschaft das, was sie ist. Diese Kultur differiert selbstverständlich von Land zu Land. In Deutschland ist sie stark mit einer lebendigen (und zum Teil auch kritischen) Theaterszene verbunden.

Diese einfach abzuschaffen, würde unserer Gesellschaft massiven Schaden zufügen und sie noch anfälliger für Umtriebe machen, die eine andere Gesellschaft anstreben. Das ist für mich nicht diskutabel.

Wie eine andere Zuschrift schon vermerkte, gefällt dem einen Besucher etwas, was einem anderen nicht gefällt. Das ist richtig, geht aber nicht tief genug. Herr Kakoschke ist offenbar davon ausgegangen, dass Theater sich immer unmittelbar erschließen muss und nur dem unreflektierten Genuss dient. Für diese Art von Genuss gibt es im Fernsehen und auf der Bühne genügend Beispiele.

Wenn ich in die Oper gehe, muss ich damit rechnen, dass ich mich mit einer Sache auch einmal intensiv beschäftigen muss, wenn ich sie „verstehen“ will. Dafür gibt es zum Beispiel Einführungen.

Etwas, was sich mir nicht erschließt, gleich abschaffen zu wollen, empfinde ich als zutiefst reaktionär und daher auch indiskutabel. Sicher gibt es auch für mich Dinge, die mir fremd sind oder deren unmittelbaren Sinn ich nicht erkenne (sogar wenn sie aus Steuergeldern finanziert werden). Aber deswegen abschaffen…?

Da wäre unser Land um vieles ärmer und ich würde in diesem Land nicht mehr leben wollen.

Die Inszenierungen der Wuppertaler Bühnen (Oper und Schauspiel) faszinieren mich immer wieder. Beiden Intendanten kann man nur gratulieren und alles Gute für die Zukunft wünschen.

Die Aufführung der „Luisa Miller“ ist für mich in allen Belangen zutiefst berührend und beeindruckend.

Lutz-Werner Hesse

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