Nachruf auf Detlev Muthmann Er war ein wahrer Mäzen der Musik

Wuppertal · Bereits als Jugendlicher lernte Detlev Muthmann in der Wuppertaler Stadthalle Kammermusik, die großen internationalen Ensembles kennen und erinnerte sich gerne etwa an zwei Abende des Vegh-Quartettes mit sämtlichen Streichquartetten Bartoks in den 60er Jahren. Ein Nachruf.

 Detlev Muthmann im Gespräch: Damals ging es um das Streichquartett opus 59,2 von Ludwig van Beethoven.

Detlev Muthmann im Gespräch: Damals ging es um das Streichquartett opus 59,2 von Ludwig van Beethoven.

Foto: Johannes Vesper

Sein Leben lang waren ihm Konzerte und Opern in der Stadthalle vor dem Wiederaufbau der Barmer Oper unter Hans Weisbach, Martin Stephani und Georg Ratjen mit seiner eleganten Stabführung vor Augen und Ohren. Für diese Musikerlebnisse vor vielen Jahrzehnten sei er sehr dankbar und wolle nach seinem Eintritt in den Ruhestand der Stadt etwas zurückgeben, sagte er damals.

So rief der Mäzen (nicht Sponsor!), der sein Geld als Unternehmer für Transportkühlanlagen verdient hatte, die Kammermusikreihe „Saitenspiel“ (seit 2009) ins Leben und finanzierte rund 150 Konzerte vorzüglicher und bekannter Ensembles. Er, dessen Leben von Musik geprägt war, ließ das Publikum an seinen Vorlieben teilhaben und es sich als großer Kenner der gesamten Kammermusik nicht nehmen, persönlich, sachkundig und engagiert in die Konzertprogramme einzuführen.

 Unabhängig von Mainstream-Eventkultur förderte er in der Historischen Stadthalle auch selten gespielte Literatur – er sprach von seiner „musica rara“. Zu hören waren beispielsweise Ligeti, Schnittke oder Schoeck. Er engagierte weltbekannte Ensembles – so das Schumann-Quartett, das Rolston-Quartett, das Novus String-Quartett das Auryn-Quartett – und war dem Prisma-Quartett für diese Kammermusikreihe sehr verbunden.

Dass junge Leute aus der ganzen Welt von Korea bis zu den USA solcher Musik wegen nach Deutschland und nach Wuppertal kommen, ist Muthmanns Idee und Verdienst gewesen. 2016/17 leistete er sich und dem Publikum mit dem Uriel-Quartett den Luxus der Aufführung sämtlicher Streichquartette Ludwig van Beethovens an drei Abenden.

Natürlich wurden alle engagierten Musiker immer zusätzlich zu Schulkonzerten verpflichtet, die auch in der Stadthalle stattfanden. Muthmann wollte, empathisch, wie er war, den musikalischen Funken der Kammermusik bei jungen Leuten wecken, wenn er die jeweils bis zu 150 Schülerinnen und Schüler selbstverständlich auf seine Kosten dazu einlud. Diese Großzügigkeit galt auch für Demenzkranke oder Menschen mit geringem Einkommen im Rahmen der „Kulturloge“.

Detlev Muthmann unterstützte das Präventionsprojekt für Kinder psychisch kranker Eltern (KIPKEL) sowie das Projekt „Singen für psychisch Kranke“ in Hilden. Auch finanzierte er Studierenden der Musikhochschule Wuppertal einen Kammermusikkurs beim international bekannten Minguet-Quartett.

In seiner Begeisterung für die Musik ließ er auf seine Kosten auch die während der NS-Zeit an der Stadthallenfassade abgeschlagenen Namen jüdischer Musiker (Mendelssohn, Offenbach, Meyerbeer) wieder anbringen. In der Spielzeit 2019/20 widmete er seine Konzerte „In Liebe und Verehrung“ der Kammermusik von durch die Nazis verfolgten Komponisten: Erwin Schulhoff, Gideon Klein, Viktor Ullmann, Pavel Haas und Hans Krása, die nach ihrer Diskriminierung als „Entartete“ in KZs erst musizieren mussten, bevor sie ermordet wurden. Unvergesslich bleibt dabei das 2. Streichquartett von Gideon Klein, der im Alter von nur 26 Jahren im Lager Fürstengrube umgekommen ist.

In der aktuellen Spielzeit sollte ein Fest für Pablo Casals gefeiert werden: Wegen Corona war das erste Konzert am 27. September unter anderem mit der Suite für Violoncello solo (herrlich: Pirkko Langer) von Gaspar Cassadó auch das letzte.

Detlev Muthmann, Mäzen und Liebhaber der Kammermusik sowie seines eigenen Cellos, starb am 9. Dezember.

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