Oper Schwarz ist eine böse Farbe

Wuppertal · Oper: Bei der Premiere von "Luisa Miller" provoziert die Regie (ein bisschen) — musikalisch ist die Premiere ein Ereignis.

 Luisa (Izabella Matula) wird erwachsen — und sofort ein Opfer der macht- und sexgierigen Männerwelt.

Luisa (Izabella Matula) wird erwachsen — und sofort ein Opfer der macht- und sexgierigen Männerwelt.

Foto: Jens Grossmann / Wuppertaler Bühnen

Was für eine Oper! Unter Liebhabern gilt Verdis "Luisa Miller" als Geheimtipp, wird auch gar nicht mal so selten gespielt, aber an die Popularität der nachfolgenden Erfolgswerke "Rigoletto", "Traviata" und "Troubador" konnte die auf Schillers Schauspiel "Kabale und Liebe" basierende Oper nie heranreichen. Dabei bietet Verdi schon hier alles auf, was eine romantische Oper braucht: Tragische Liebe, dramatische Vater-Sohn- beziehungsweise Vater-Tochter-Konflikte, große Chorszenen und vor allem unmittelbar packende Musik. Mit der umjubelten Premiere am Samstag im Opernhaus dürfte das Stück neue Bewunderer gefunden haben.

Von Julia Jones mitreißend dirigiert, auch Knalleffekte nicht scheuend, laufen Orchester sowie Opern- und Extrachor zu Hochform auf. Dazu singt ein hochkarätiges Ensemble — (fast) durchweg Gäste. Ist das nicht seit der unglücklichen Intendanz von Toshiyuki Kamioka ohne hauseigenes Ensemble streng verboten? Macht aber trotzdem Freude. Izabella Matula ist eine strahlende, höchst intensive und ziemlich dramatische Bürgerstochter Luisa (ein paar Wackler beim Pianissimo in hoher Lage sieht man ihr gerne nach), Rodrigo Porras Garulo ein fulminanter Adelssprössling Rodolfo mit tenoraler Kraft (und blendendem Aussehen). Michael Tews verleiht dem Intriganten Wurm beeindruckend düstere Töne, Anton Keremidtchiev gibt einen soliden, etwas eindimensional biederen Vater Miller, und Nana Dzidziguri singt betörend schön die (mit Luisa um Rodolfo rivalisierende) Gräfin Federica.

Aus dem Wuppertaler Ensemble imponiert Sebastian Campione als dämonischer Graf Walter, Vater Rodolfos. Iris Marie Sojer (neu am Haus engagiert) überzeugt mit mädchenhafter Stimme in der kleinen Partie von Luisas Freundin Laura. Musikalisch also ist die Produktion ein großer Wurf. Und die Szene? Die vermittelt ambivalente Eindrücke. Die tschechische Regisseurin Barbora Horáková Joly versucht, aus der tragischen Geschichte um verbotene Liebe über die sozialen Klassengrenzen hinweg das zeitlos Allgemeine herauszufiltern und versetzt die Handlung in einen abstrakten weißen Raum (Bühne: Andrew Liebermann), aus dem die Umrisse eines Hauses herausgeschnitten sind. Die Personen entstammen, der Kleidung nach zu urteilen, der Gegenwart oder jüngeren Vergangenheit. Eine zeitliche Festlegung soll das wohl nicht sein, vielmehr geht es um den Generationenkonflikt: Kinder, die gegen die Vorstellungen ihrer Eltern rebellieren, sich dabei aber gleichzeitig entwurzeln.

Dazu bemüht sich die Regie, eine naturalistische Erzählweise zu vermeiden, sondern große Bilder zu entwickeln. Eine Gruppe spärlich bekleideter Tänzer (fehlte zur völligen Nacktheit der Mut?) beschmiert sich immer wieder mit schwarzer Farbe, rollt die Körper dann an den weißen Wänden ab, so dass das anfängliche Weiß immer schmutziger wird — ein Bild für die zunehmenden Verletzungen der Figuren? In einer Szene werden die Tänzer gar in Tonnen mit schwarzer Farbe getaucht. Das böse Schwarz gehört dem Intriganten Wurm, dem bösartigen Grafen, vielleicht überhaupt den immer auf Macht versessenen Erwachsenen. Luisa trägt zu Beginn noch ein farbiges Kleid, und als Kinderfiguren sind Luisa und Rodolfo (der aber schon da im schwarzen Anzug) in vielen Szenen präsent.

Nicht alles erschließt sich, und man kann der Regie allerlei vorwerfen: Das Verfahren ist oft ziemlich plakativ. Es wird nicht konsequent durchgehalten und stößt bei der (meist ziemlich konventionell geratenen) Personenführung an seine Grenzen — es stellt die Sängerinnen und Sänger oft einfach an die Rampe. Ob die Oper den gedanklichen Ansatz überhaupt hergibt, darüber lässt sich streiten, wirklich schlüssig gerät der Nachweis durch die Regie sicher nicht, dazu laufen zu viele Szenen ins Leere. Aber auch wenn manches rätselhaft oder beliebig bleibt, vielleicht mehr dem reißerischen Effekt als der inneren Logik geschuldet ist: Es gibt eine Reihe von faszinierenden Bildern, die auch fortwirken, wenn sich das Ensemble zum Tableau arrangiert. In gewisser Hinsicht hat das ja auch seine Berechtigung, denn so hat immer wieder die Musik und deren emotionale Kraft den Vortritt (und die Sänger dürften froh sein, fast immer akustisch günstig zu stehen). Es mag manches in der Regie Blendwerk sein: Zu einem aufregenden Opernabend trägt sie ihren Teil bei.

"Luisa Miller", weitere Aufführungen am 22. Dezember, am 27. Januar sowie am 17. und 28. Februar. Karten gibt's bei der Kulturkarte unter Telefon 563-76 66 und auf www.kulturkarte-wuppertal.de

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