Interview mit FDP-OB-Kandidat Marcel Hafke „Wir brauchen eine Wuppertal-Agentur“

Wuppertal · Der 38-jährige Marcel Hafke sitzt seit zehn Jahren für die FDP im Düsseldorfer Landtag, außerdem ist er Chef seiner Partei in Wuppertal. Am 13. September tritt der verheiratete Vater zweier kleiner Kinder als Wuppertaler Oberbürgermeister-Kandidat für die Liberalen an. Roderich Trapp und Stefan Seitz sprachen mit Hafke über seine Ziele und Schwerpunkte.

 Marcel Hafk tritt bei der Kommunalwahl am 13. September für die FDP als Oberbürgermeister-Kandidat an.

Marcel Hafk tritt bei der Kommunalwahl am 13. September für die FDP als Oberbürgermeister-Kandidat an.

Foto: Wuppertaler Rundschau

Rundschau: Wuppertal wird durch die Corona-Krise unter erheblichen Finanzdruck geraten. SPD-Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat den „Kommunalen Solidarpakt 2020“ vorgeschlagen, mit dem Bund und Länder die Städte entlasten und entschulden sollen. Wuppertals Kämmerer Johannes Slawig ist sehr für dieses Projekt. Und Sie?

Hafke: Für Wuppertal wäre das natürlich gut. Aber das Thema ist ja nicht neu. Minister Scholz wärmt das Ganze nun schon zum dritten Mal auf. Tatsache ist, dass auch jetzt ein Großteil der Bundesländer, die das Problem verschuldeter Städte gar nicht kennen, den Weg nicht mitgehen wollen. Es stimmt zwar, dass der Löwenanteil der Wuppertaler Schulden durch den Bund verursacht worden sind, aber es wird kein „Solidarpakt 2020“-Ergebnis geben, wenn die Länder nicht mit im Boot sind.

Rundschau: Was also tun?

Hafke: Der kommunale Druck auf Düsseldorf und Berlin muss hoch gehalten werden. Aber Wuppertal muss sich auch einmal wirklich darum kümmern, die städtische Einnahmen-Situation zu verbessern. Andere Städte beispielsweise machen auch nicht alles schlecht. Das ebenso hoch verschuldete Leverkusen beispielsweise hat seine Gewerbesteuer gesenkt. Wuppertals Gewerbesteuersatz ist sehr hoch. Höher als der in Düsseldorf. Das ist keine gute Voraussetzung, um internationale Unternehmen anzuwerben, die sich in Wuppertal niederlassen wollen. Was Wuppertal braucht, ist eine echte Alternative in Form eines Wirtschaftskonzeptes, das diesen Namen auch verdient.

Rundschau: Was heißt das konkret?

Hafke: Wir müssen eine ganze Reihe Themen neu denken. Kämmerer Slawig hat in der Vergangenheit ausschließlich auf Rotstift-Sparkurs gesetzt. Nie wurde daran gedacht, wie Einnahmen generiert werden können. Es ist einfach, immer nur darauf zu pochen, dass Düsseldorf oder Berlin die Probleme lösen sollen. Was diese Stadt braucht, ist ein ganz neues Wirtschaftsselbstbewusstsein. Wir brauchen eine Wuppertal-Agentur, unter deren Dach die bisherige Wirtschaftsförderung, die mit peinlich niedrigem Budget ausgestattete Stadtmarketing GmbH, oder auch das Marketing von Zoo und Stadthalle zusammengefasst werden. So könnte man national und international auf die Suche nach Investoren und Unternehmen gehen.

Rundschau: Das würde aber vermutlich Jobs in den bisherigen Einheiten kosten ...

Hafke: Keineswegs. Eine professionell agierende Wuppertal-Agentur, die übrigens auch Teil eines bergischen Netzwerkes sein könnte, sollte sogar personell und finanziell deutlich besser ausgestattet werden als die jetzt tätigen Sektoren. Für eine gute Wuppertal-Agentur gäbe es bestimmt auch viele Sponsoren, die deren Finanzierung unterstützen würden. Die entscheidende Frage wäre: Wie positioniert man Wuppertal? Und wie positioniert man es positiv? Wie macht man aus der Wirtschaftsförderung einen Marketing-Faktor? Das muss allerdings an der Spitze der Stadt gewollt und entschieden werden. Da sehe ich jedoch wenig Initiative.

Rundschau: Sie würden das anders machen, obwohl nicht zu erwarten ist, dass Sie im Fall Ihrer Wahl eine riesige FDP-Mehrheit im Rücken hätten?

Hafke: Meine Ziele für Wuppertal haben nichts dem Thema Parteibuch zu tun. Ich würde mit dem Stadtrat in ein offenes, ehrliches Gespräch darüber eintreten, wie die Stadt-Dezernate neu zugeschnitten werden können. Unsere Dezernenten sind alle Profis, aber jeder hat Stärken und Schwächen. Da muss eine neue Aufgabenverteilung her. Der Bereich Personal gehört ins OB-Büro, und Wirtschaft sowie Stadtentwicklung sind definitiv Chefsache. Ich würde mit dem Stadtrat konstruktiv darüber diskutieren und erwarten, dass jeder seine parteipolitischen Interessen dem Ziel, Wuppertal eine Nummer größer zu denken, unterordnet.

Rundschau: Das klingt, als sähen Sie sich fast wie ein quasi unabhängiger Oberbürgermeister-Kandidat ...

Hafke: Der Amtsinhaber muss SPD-Politik machen, Uwe Schneidewind muss schwarz-grün agieren, um zu gefallen, siehe Forensik. Ich bin nicht so abhängig, könnte pragmatische Politik machen, und mir für deren Durchsetzung die nötigen Partner suchen. Die Möglichkeiten wechselnder Mehrheiten hat der Amtsinhaber beispielsweise überhaupt nicht genutzt. Es gibt außer mir nur Kandidaten aus dem links-grünen Milieu. Wer kümmert sich denn um die wichtigen Themen Wirtschaft, Sicherheit, Ordnung, Bildung? Die Leute in Wuppertal haben ganz andere Sorgen als eine autofreie Innenstadt.

Rundschau: Nämlich welche?

Hafke: Zum Beispiel eine gut ausgestattete Kita- und Schullandschaft. Das sind wichtige Standortfaktoren, um große Unternehmen mit großen Belegschaften anzulocken. Außerdem eine Top-Digitalisierungsinfrastruktur. Die St. Laurentius-Hauptschule, an der meine Frau unterrichtet, hat beispielsweise kein WLAN. So etwas darf doch nicht sein. Das Land NRW hat eine Milliarde Euro für den Digitalpakt zur Verfügung gestellt. Die Kommunen haben nur Geld im einstelligen Prozentbereich abgerufen. Dabei ist Wuppertal „Digitale Modellkommune“, wofür ich mich in Düsseldorf sehr stark gemacht habe.

Rundschau: Woran fehlt es Wuppertal Ihrer Meinung nach?

Hafke: Die Bereiche Künstliche Intelligenz, Gesundheits-Hauptstadt, Automotive könnten internationale Leuchttürme sein. Im Kindergarten-Sektor müsste die Stadt bewusst über Bedarf ausbilden sowie neue Bau-, Vermietungs- und Betreibermodelle mit den Freien Trägern wagen, bei den Schulen die Möglichkeit prüfen, ob die Gebäude und ihre Ausstattung nicht nachmittags von Sport- und Kulturvereinen genutzt werden könnten, um Kindern aus ärmeren Schichten Freizeit- und Musikangebote zu machen. Was ich aber sehe, ist eine gewisse Ideenlosigkeit. SPD und CDU machen nur das Tagesgeschäft, Uwe Schneidewind hat bis jetzt nichts Konkretes präsentiert. Es gibt viele Tausend Mitarbeiter in der Verwaltung, die vieles möglich machen könnten. Aber wer führt sie?

Rundschau: Zum Schluss bitte noch ein Wort zu zwei großen Projekten der Zukunft, dem Pina-Bausch-Zentrum und der Bundesgartenschau.

Hafke: Das Pina-Bausch-Zentrum ist sehr wichtig und wirklich zentral für Wuppertal. Die Bundesgartenschau ist, wenn sie kommt, eine schöne Idee. Man muss aber sehen, ob die Pläne wirklich nachhaltig sind. Und ob das nicht mit Remscheid und Solingen zusammen gemacht werden sollte.

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