Fußball-WM 2018 Das Zauberwort lautet Fingersprache

Wuppertal · Die WM-Kolumne des Wuppertaler ZDF-Reporters Martin Schneider in der Rundschau (Teil 4).

 Martin Schneider mittendrin ...

Martin Schneider mittendrin ...

Foto: Schneider

Jetzt also Nischni Nowgorod. Das Schöne an so einer internationalen Fußball-Messe ist ja, dass man zwangsläufig in Orte gerät, die man weder kennt, jemals von ihnen gehört hat, geschweige denn, besuchen würde. Die Millionenstadt 500 Kilometer östlich von Moskau ist genau so ein Exemplar.

Ich habe mich etwas eingelesen und erfahre, dass Touristen erst seit Gorbatschows Perestroika und dem Zusammenbruch der Sowjetunion hier willkommen sind. Nischni war eine der verbotenen Städte (auch für Russen), weil hier im Kalten Krieg und noch bis heute Waffen produziert werden. Auch Uran wurde irgendwo im Umkreis, keiner sagt wo oder weiß es genau, für Atomwaffen angereichert.

So denkt man sich: "Okay, kümmere dich um deine Viererketten und finde irgendwo was Essbares". Aber schon die Anfahrt stellt alles Erwartete auf den Kopf. Am Zusammenfluss von Oka und Wolga, diesem russischen Riesen, der mich schon die gesamte Reise begleitet, erstreckt sich eine frisch gepflasterte Promenade vor netten Fassaden. Brighton, Danzig, Riga? Nein, Nischni Nowgorod.

Und auch eine Tour durch die Altstadt, den hiesigen Kreml mit prächtiger Stadtmauer und die Fußgängerzone, erweist sich nicht als Potemkinsches Dorf. Alles echt, ein bisschen Patina hier, sanierte Altbauten da und junges Volk, das sich in der Studentenstadt tummelt. Wir fragen nach der Kneipengegend und landen in einer Self-Service-Burgerbar, die es so auch in Hipster-Kreuzberg geben könnte.

Nur das mit dem Bestellen bleibt schwierig. Die kyrillischen Buchstaben offenbaren sich mir immer noch nicht und Englisch ist für die meisten hier eine ganz fremde Fremdsprache. Das Zauberwort lautet Fingersprache und so kommt ein Fleischklops auf unsere Teller, der es in sich hat. Später erzählt uns unsere Dolmetscherin, dass es in weiten Teilen Russlands kein Fleisch aus dem Ausland gibt. Der Grund: ein Embargo Russlands gegen Lebensmittel aus dem Westen als Reaktion auf die Wirtschaftssanktionen Europas nach der Krimkrise.

Macht in diesem Fall mal überhaupt nichts. Der Burger ist köstlich, das Ambiente in der wörtlich übersetzten "Unteren Neustadt" auch, schade, dass man hier wahrscheinlich nie wieder hinkommen wird.

Do swidanja, Martin Schneider

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