Zurück zum Mittelmaß

Betr.: "Keine Zeit für Wettbewerb", Rundschau vom 10. Mai

Man glaubt es nicht — wie hier die Chance auf ein architektonisches Schmuckstück mitten im Historischen Zentrum am Engelsgarten mal eben so zu den Akten gelegt wird: Die Chance, an prominenter Stelle etwas zu bauen, für das sich in einem Wettbewerb sicher auch bekannte deutsche und europäische Büros beworben hätten.

Beispiele für so etwas gibt's genug. Viele kleinere Kommunen haben da schon Großes auf die Beine gestellt und profitieren noch lange von der Prominenz und Qualität der Architekten.

Zum Beispiel BHBVT, ehemals Busmann und Haberer, die hier in Wuppertal einmal die Synagogen-Gedenkstätte gebaut haben: Eingangsgebäude zur Erschließung des Augusteums in Wittenberg, der Johann-Sebastian-Bach-Saal im Schloss Köthen oder der Anbau am Suermondt-Ludwig-Museum in Aachen.

Aber die positive Aufbruchsstimmung, die viele Wuppertaler derzeit verspüren und die es weiter zu pflegen gilt, hat unsere Stadtpolitik wohl schon wieder beerdigt. "Zurück zum Mittelmaß" scheint die Devise.

Ein mutiger Neubau am Döppersberg, ein gelungenes Rinke-Haus am Wall, das eine oder andere Wohnhaus: Jetzt muss es aber auch gut sein, wir basteln lieber wieder selbst.

So steht an Elberfelds damals exponiertester Baustelle zwischen Stadthalle und Schwimmoper ein bereits viermal verkaufter, fürchterlicher Hotel-Kasten, am Alten Markt im Zentrum Barmens eine betonierte Pommes-Bude — und zwischen Engelshaus und Museum für Frühindustrialisierung demnächst ein Gewächshaus mit Baumarkt-Charme.

Ich bewundere die Klugheit des Gestaltungsbeirates, sich schon jetzt davon zu distanzieren.

Wetten, dass man auch vor den paar quengelnden Seilbahngegnern einknickt und weiter auf die 100 Jahre alte Dieselbus-Technik setzt? Kennen wir, haben wir immer so gemacht...

Und wenn die Schwebebahn nicht schon da wäre, hätte sie hier niemals mehr eine Chance.

Wolf Birke, Luisenstraße

(Rundschau Verlagsgesellschaft)
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