Aufklärung statt Verklärung

Betr.: Rundschau-Osterausgabe, 15. April

Meinem Eindruck nach lässt sich die Rundschau alle Jahre wieder zu Ostern und Weihnachten als Sprachrohr für kirchliche Interessen gebrauchen. Auf der Titelseite ein riesiger Artikel über einen Mann, der zum Christentum konvertiert ist: Wo ist da das allgemeine Interesse? Empörend aber stellvertretend für die beiden Großkirchen der Artikel von Bruno Kurth und Ilka Federschmidt, der die systematische Verdummung der Kinder in christlichen Kindergärten, die selbstverständlich in aller Regel zum allergrößten Teil staatlich finanziert werden, zum Thema hat.

Auch Kinder haben das Recht auf religiöse Bildung, ja und ganz unbedingt. Aber Kirchen und Religionsvertretern sollte endlich und ein für alle Mal das staatlich sogar mit großem Aufwand geförderte Recht entzogen werden, Kinder aufgrund falsch verstandener biblischer Mythen und Legenden in ihrem Sinne systematisch manipulieren zu dürfen. Inhaltlich merke ich an, dass Jesus der Legende nach ebensowenig "die Liebe zu den Menschen bringt" wie der Osterhase die Ostereier. Jesus predigte dem Evangelium nach einen streng ethnozentrisch ausgerichteten Absolutheits- und Ausschließlichkeitsanspruch, der bis heute bestens dazu geeignet ist, religiös motivieren Wahrheitsfanatismus zu begründen. Wer also aus der literarischen Gestalt des Jesus aus Nazareth eine Art sanftmütigen Schäfchenonkel bastelt, hat von der Radikalität seiner Ansichten nicht gerade viel verstanden.

Ich bin ganz entschieden dafür, die Bibel und auch den Koran sehr aufmerksam zu lesen und auch den jungen Leuten — wenngleich nicht bereits lange vor religionsmündigem Alter, also keinesfalls in Kindergärten! — so nahe zu bringen, dass sie in ihrer Urteilskraft gestärkt werden.

Aufklärung statt religiöse Verklärung sollte das Motto sein.

Volker Brokop, Ringelstraße

(Rundschau Verlagsgesellschaft)
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