Zum Tode von Jan Minarik Ein Hüne mit so weicher Stimme

Wuppertal · Jan Minarik, einer der ganz Großen des Wuppertaler Tanztheaters, ist zu Hause in Tschechien gestorben.

 Jan Minarik und Beatrice Libonati (zu sehen bei Klick aufs Bild) im Jahr 2019 in ihrer Wuppertaler Wohnung.

Jan Minarik und Beatrice Libonati (zu sehen bei Klick aufs Bild) im Jahr 2019 in ihrer Wuppertaler Wohnung.

Foto: Karl-Heinz Krauskopf

Er im „Blaubart“ – das war das erste Pina-Bausch-Stück, das ich gesehen habe. So etwa mit 16, also vor fast 44 Jahren. Jan Minarik wühlend, sich wälzend im Laub auf der Schauspielhausbühne. Kraftvoll, raumfüllend und elegant zugleich, so erinnere ich mich. Und vergesse es nicht. Jetzt ist dieser große Tänzer, der im August 1945 in Prag zur Welt kam, gestorben. Am Sonntag, 26. Juni, zu Hause auf seinem Bauernhof im Westen von Tschechien. 76 ist er geworden, beinahe 77.

Noch eine Erinnerung: Jan Minarik, der ein wirklicher Hüne war, hackt auf der Bühne eine große Zwiebel. Unvorstellbar schnell, als hätte er nie im Leben etwas anderes gemacht. Meine Kollegin Sabina Bartholomä, die ja nun auch leider nicht mehr lebt, erzählte mir später, dass Minarik gelernter Koch gewesen ist. Also kein Wunder, das mit der Zwiebel.

Vor ein paar Jahren dann bin ich mit Sabina Bartholomä zusammen bei Jan Minarik und seiner zweiten Frau, der Ex-Pina-Bausch-Tänzerin Beatrice Libonati, in der Wuppertaler Wohnung gewesen. Es ging um eine Geschichte für unser Top Magazin über die Schwarz-Weiß-Fotos, die Minarik über viele Jahrzehnte von den Tanztheater-Proben und vor allem von Pina Bausch selbst gemacht hatte. Eindringliche Bilder, die zeigten: Er beherrscht nicht nur seinen Körper, sondern auch die Kamera.

Ich hätte damals Jan Minarik nicht wiedererkannt: Die Tür öffnete ein Riese mit langer, zum Zopf gebundener fast weißer Mähne. So liebevoll sein Umgang mit Beatrice Libonati, die ihm bei der Durchsicht der digitalisierten Bilder mit den kleinen Laptop-Tasten helfen musste. Kein Wunder: So mächtige Hände wie die von Jan Minarik hatte ich bis dahin noch nicht gesehen. Und dazu die ganze Zeit diese wunderbar weiche Melodie, mit der Tschechen Deutsch sprechen.

Dann vor einem Jahr Jan Minarik noch einmal live auf der Bühne: In der seltsam magischen, aus moderner klassischer Musik, Schauspiel und Tanztheater gemachten „Moby Dick“-Inszenierung von Robert Sturm in den Riedel-Hallen. Der riesige Minarik mit bodenlangem Mantel und offener weißer Mähne schleppt ein Boot über die Bühne, hält eine Laterne vor die Gesichter seiner Mitspieler. Kein Wort, aber wo er geht und steht, füllt er den Raum. Dass er nur sehr sparsam agieren kann, weil seine Knochen schon lange kaputt sind, das sieht man. Aber der Mann wirkt einfach schon deswegen, weil er da ist.

Jan Minarik verließ die Tschechoslowakei 1969, kam über Österreich nach Wuppertal – und prägte hier mit Pina Bausch und vielen anderen eine Ära, die bis heute wirkt. Dass Jan Minarik gestorben ist, schrieb mir am vergangenen Dienstag mein guter Freund Holger, der immer noch Kontakt zu Minariks erster Ehefrau in Tschechien hat.

Wenn man so etwas liest, denkt man über manches nach. Zum Beispiel, dass es schön ist, Minarik zuletzt noch zweimal sehr aus der Nähe gesehen zu haben. Und an seine Stimme, wie gesagt.

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