Konzert im Live Club Barmen Punk und Politik mit Pussy Riot

Wuuppertal · Wild und anrührend, provokant und geradezu hypnotisch zog die Performance des Moskauer Künstler- und Protestkollektivs Pussy Riot am Mittwoch im LCB die Zuschauer in den Bann. Basierend auf Maria Alyokhinas Buch "Riot Days — Tage des Aufstands", brachte der Abend den Weg von Pussy Riot von den Anfängen im Jahr 2011 über ihre Auftritte, die Verhaftung, den Prozess bis hin zum Aufenthalt in einem sibirischen Gefängnislager auf die Bühne.

 Einer der stillen Momente mit Maria Alyokhina, die zwei Jahre im Straflager in Sibirien einsaß.

Einer der stillen Momente mit Maria Alyokhina, die zwei Jahre im Straflager in Sibirien einsaß.

Foto: Daniel Schmitt/Spitzlicht Fotografie

Aufrüttelnd!

"Die Freiheit im Gefängnis liegt im Verstehen." Was für ein Satz! Maria Alyokhina spuckt ihn irgendwann während der rund 60 Minuten im LCB ins Publikum. Auf russisch. Es ist nur einer von vielen Sätzen. In einer Art Stakkato-Sprechgesang prasseln sie wie Tausende von Nadeln über die Zuschauer. Manche spitz und schmerzhaft, andere ganz warm und weise. Einige ziehen schnell vorbei, viele bleiben hängen. So wie dieser.

Sechs Jahre ist es her, dass die Gruppe Pussy Riot mit ihrem Protest in Form eines "Punkgebets" gegen Präsident Putin in einer Moskauer Erlöserkirche schlagartig weltbekannt wurde. Gerade mal 41 Sekunden lang war dieses Video, das das Leben der Aktivistinnen so drastisch verändern sollte. "Jungfrau Maria", heißt es in dem Video, "erlöse uns von Putin." Die Kritik: Die Kirche mache aus dem Glauben ein Geschäft. Von "Holy Shit" sprechen sie, der "Scheiße Gottes". Bezahlt hat Maria Alyokhina ihren Mut mit zwei Jahren Lagerhaft in Sibirien.

 Sturmhauben, Masken und ein wildes Spektakel: Die Show von Pussy Riot im LCB war eindringlich und emotional.

Sturmhauben, Masken und ein wildes Spektakel: Die Show von Pussy Riot im LCB war eindringlich und emotional.

Foto: Daniel Schmitt/Spitzlicht Fotografie

In Zusammenarbeit mit Regisseur Alexander Cheparukhin entstand aus dem Buch "Riot Days — Tage des Aufstands" eine performative Live-Umsetzung mit vier Protagonisten. Intensiv und herausfordernd. Während auf der Leinwand im Hintergrund Videosequenzen von Performances von Pussy Riot vorbeiziehen, stehen die vier Riots — unter ihnen zwei Männer — am Bühnenrand und liefern eine punkwürdige Show. Schrilles Saxofon, Sturmhauben und andere Masken, zackige Trommelschläge, laufen, springen, schreien. Bewegungen und Sprachfluss sind gekonnt zu den Videos choreografiert. Die meiste Zeit wird einfach vor vier Standmikros getanzt, gesungen und skandiert.

Und da, wo es richtig weh tut, muss auch das Publikum leiden. Da schüttet ein Riot Wasser ins Publikum und wirft die leeren Plastikbecher gleich hinterher. Und zu alldem gibt es eine englische beziehungsweise deutsche Übersetzung des Textes als Obertitel — wie in der Oper.

Und wie in der Oper geht es hier um große Gefühle. Um Wut und Qualen, Zorn und Vergebung. Der Text, ein Tagebuch des Wahnsinns in Russland. Persönlich und doch darüber hinausweisend. Russische Widerstandsgeschichte und persönliche Erfahrung in der Lagerhaft. "Wir wollen nicht nur über uns sprechen", erklärte Alyokhina in einem Interview mit der ARD, "sondern über die Botschaft der Geschichte."

Doch Pussy Riot — das ist mehr als politischer Protest. Das ist eben auch Kunst. Video, Lyrics, Theater, Literatur, Tanz und natürlich die Musik. Und auch wenn man es bei all dem Spektakel leicht überhört: Die ist richtig gut! Punk, der irgendwie neu und wild daherkommt und was zu sagen hat. Pop und Politik vereint.

Am Ende gibt es für die leider wenigen Wuppertaler noch einen Satz. "Es gibt keine Freiheit, wenn man nicht jeden Tag für sie kämpft!" Aktueller geht's nicht.

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