Opernhaus Der Traum vom goldenen Klotopf

Wuppertal · Tolle Musik zu wirrer Handlung: Die Premiere von "Julietta" feiert im Opernhaus einen großen Publikumserfolg.

 Die Statue links ist die geheimnisvolle Julietta — und der Weg zu ihr führt an dieser ziemlich bunten Spaßgesellschaft vorbei.

Die Statue links ist die geheimnisvolle Julietta — und der Weg zu ihr führt an dieser ziemlich bunten Spaßgesellschaft vorbei.

Foto: Jens Grossmann

Christian Sturm verkauft Träume. Der Tenor, bis 2014 fest im Ensemble und inzwischen ab und zu als gern gehörter Gast an die Wuppertaler Bühnen zurückgekehrt, macht das mit hinreißender Lässigkeit. Dem Sträfling, der sich eine schönere Zelle wünscht, verschafft er einen goldenen Klotopf — oder wenigstens den Traum davon. Immerhin.

Der Pariser Buchhändler Michel, Hauptfigur der Oper, möchte gar keinen Traum, sondern das Mädchen Julietta, in die (oder vielleicht auch nur in deren Gesang) er sich drei Jahre zuvor in einer kleinen Stadt am Meer verliebt hat. Zurückgekommen stellt er fest, dass die Bewohner allesamt das Gedächtnis verloren haben und geschichtsvergessen nur in der Gegenwart leben — oder in den Geschichten, die er ihnen erzählt. So bewegt er sich permanent an der Grenze zwischen Realität und Traum. Einen Weg zurück scheint es nicht zu geben.

Der tschechische Komponist Bohuslav Martinu (dessen "Griechische Passion" vor ein paar Jahren bereits erfolgreich im Opernhaus gespielt wurde) vertonte das surreale Sujet 1938 in einer ungemein farbigen, an den Impressionisten wie an Strawinsky geschulten Musik. Das ausgezeichnete Wuppertaler Sinfonieorchester trifft unter der Leitung des famosen Kapellmeisters Johannes Pell — einmal mehr ein Glücksfall für die Wuppertaler Bühnen — Martinus Tonfall ganz wunderbar. Dazu wird großartig gesungen. Sangmin Jeon bewältigt die Riesenpartie des Michel mit markantem, immer geschmeidigem Tenor. Ralitsa Ralinova verleiht dem geheimnisvollen Mädchen Julietta mit glasklarem, unopernhaft ätherischem und doch substanzvollem Sopran faszinierend das Maß an Unwirklichkeit, das es für diese Figur braucht. Neben dem schon erwähnten Christian Sturm agieren Catriona Morrison, Simon Stricker und Sebastian Campione in diversen kleineren Rollen bravourös, zudem mit sehr guter Textverständlichkeit: Gesungen wird in deutscher Sprache, Übertitel gibt's auch, aber die sind oft gar nicht erforderlich und lenken mit der Textfülle schnell ab.

So ist diese "Julietta" unbedingt hörenswert, und an der Musik liegt es nicht, dass der Abend einige Längen hat. Regisseurin Inga Levant, die in Wuppertal im vorigen Jahr für "Hoffmanns Erzählungen" einen sexy-frechen Venedig-Akt inszeniert hat, bleibt hier ziemlich brav und zeigt ein Panoptikum an Gestalten, die Kinderbüchern entsprungen sein könnten (Ausstattung: Petra Korink und Jan Freese). Mit liebevoller Personenregie, vom Ensemble hervorragend umgesetzt, arrangiert sie viele witzige kleine Szenen. Michel stolpert leicht vertrottelt mit Anzug und Melone durch die Szenerie, die eine Hotellobby oder einen Marktplatz oder auch einen Innenhof darstellen könnte. Julietta erscheint als Statue aus dem Brunnen — alles sehr hübsch. Aber die Schwäche der Oper, arg viele kleine Episoden aneinander zu reihen, bekommt die Regie damit nicht in den Griff. Für mehr als drei Stunden Dauer (mit Pause) verliert sie sich allzu sehr im Detail, wo man sich eine große Idee wünschte. Konkrete Gegenwartsbezüge sucht man vergebens.

Zudem bleibt diese "Julietta" in ihrer hermetisch abgeschlossenen Spielzeugwelt merkwürdig unerotisch, wo doch das zentrale Handlungsmotiv die Suche nach der Traum-Frau ist. Da wird die Oper über die Maßen entschärft und bleibt auf emotionaler Distanz: Man staunt, aber dieses Spielzeugparadies berührt nur wenig.

"Julietta": drei Stunden, eine Pause. Nächste Aufführungen am 11. und 23. März, 14. April und 17. Juni im Opernhaus.
Karten gibt es bei der Kulturkarte unter Telefon 563-76 66 und auf www.kulturkarte-wuppertal.de

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