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Nach Toreschluss - die Wochenendsatire: Auf dem Skywalk

Nach Toreschluss - die Wochenendsatire : Auf dem Skywalk

Völlig überraschend haben Experten diese Woche herausgefunden, dass das Kölner Stadtarchiv vor acht Jahren doch nicht wegen Wind, sondern wegen eines Fehlers beim U-Bahn-Bau eingestürzt ist. Da war Wuppertal beim Städtebau insgesamt etwas erfolgreicher.

Zum Beispiel im Nordpark. Waren Sie da eigentlich in letzter Zeit mal? Nein? Dann aber nix wie hin, denn da oben hat sich dank Fördermitteln des Landes richtig was getan.

Sie können da auf schicken Relax-Möbeln mit Fernblick in der Sonne liegen, während Ihre Kinder auf dem Bolzplatz kicken oder sich auf den neuen Spielplätzen an den dollsten Geräten austoben. Ich bin ja noch mit Rutschen groß geworden, die statt viel Spaß im wesentlichen viele Holzsplitter in den Popo brachten. Neben diesen Rutschen standen in der Regel eine rostige Reckstange und der in den Sandkasten kackende Hund unserer Nachbarn als Hauptattraktionen. Wenn man dann ein Kinderparadies wie im Nordpark sieht, möchte man sich als älterer Passant am liebsten eines der Blagen ausleihen, um mitspielen zu können.

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Für Erwachsene gibt es aber auch ein Highlight, das diesen Namen wirklich verdient: Es handelt sich um den neuen Skywalk, der am hinteren Ende des Nordparks 16 Meter in die Luft ragt und in einer Aussichtsplattform mit Panoramablick von Nächstebreck bis zu den Barmer Anlagen mündet. Wenn man da am Geländer steht, hat man passend zum Namen tatsächlich ein himmlisches Gefühl. Man kommt sich vor wie Leonardo di Caprio und Käthchen Winslet am Bug der "Titanic". Nur dass man von da keinen Eisberg, sondern den Ehrenberg sieht, was mittelfristig auch gesünder ist.

Als ich diese Woche genau dort vorne stand, kamen zwei kleine Mädchen gelaufen und waren völlig aus dem Häuschen: "Boah, das ist voll schön. Hier möchte ich den ganzen Tag bleiben", rief die eine - völlig zu Recht, denn für so einen Ausblick bräuchten Menschen in anderen NRW-Städten einen Ultraleichtflieger. Einen ähnlichen Skywalk gibt es übrigens am Grand Canyon. Der kostet mehr als 70 Dollar Eintritt, dafür darf man aber auch nicht fotografieren. Im Nordpark ist der Spaß gratis und Fotografieren erlaubt, was mal wieder beweist, dass die USA inzwischen das Land der sehr begrenzten Möglichkeiten sind.

Apropos begrenzte Möglichkeiten: Wenn es nach dem Bund der Steuerzahler geht, dürfte unser Skywalk gar nicht da sein, weil Wuppertal ja Schulden und der Steg 200.000 Euro gekostet hat. Die hat zwar zu 80 Prozent das Land bezahlt, aber in ihrer Querulanten-Fachzeitung befanden die Steuer-Apostel trotzdem schon Ende 2016: "Braucht der Wuppertaler Nordpark wirklich einen Skywalk? Beim Blick vom fast zwei Milliarden Euro hohen Schuldenberg der Stadt wird einem schon schwindelig genug."

Weil wir dank Soli und Sozialausgaben weitgehend unverschuldet keine Kohle mehr haben, sollen wir also grundsätzlich nur in den Abgrund, aber nicht in die Landschaft gucken.

Möglicherweise würde uns der Steuerzahlerbund gerade noch einen aus angeschwemmtem Wupper-Treibholz gezimmerten Hochsitz zugestehen. Aber was Schönes, von dem man idealerweise auch nicht runterfällt, kommt für uns kommunalfinanzielle Kretins keinesfalls in Frage. Da vergoldet man lieber noch die Geländer an der Königsallee im reichen Düsseldorf. Irgendwie fühle ich mich als Steuerzahler diesen Interessenvertretern gerade nicht so verbunden ...

Wissen Sie was: Gehen Sie doch einfach am heutigen Samstag mal zwischen 12 und 17 Uhr zum Kinder- und Familienfest im Nordpark. Mit dem wird nämlich der Tag der Städtebauförderung gefeiert. Und dann laufen Sie raus auf den Skywalk, drehen sich vorne ein gutes Stück nach links und zeigen einen schönen Stinkefinger in Richtung Berlin. Dreimal dürfen Sie raten, welche Organisation da sitzt ...

Bis die Tage!