Kommentar zu öffentlichen Toiletten im Tal Vom Paradies in die Hölle

Wuppertal · Es geht doch nichts über ein gutes Archiv. In unserem steckt ein Rundschau-Artikel vom 27. Februar 1986 mit der Überschrift "Ein Paradies für schwache Blasen". Er handelt davon, dass Wuppertal bei einem Vergleich von zehn westdeutschen Großstädten Platz zwei in der Kategorie "öffentliche Toiletten" belegte.

 Roderich Trapp.

Roderich Trapp.

Foto: Bettina Osswald

Damals entfielen statistisch exakt 11.667 Benutzer auf jedes stille städtische Örtchen. Alleine in der Anlage am Neumarkt zählte das Tiefbauamt damals 41.900 Besucher. Sie war eine von 13 "Vollanstalten" in Wuppertal, zu denen seinerzeit noch 20 "Standaborte" kamen.

Ziemlich genau 33 Jahre später ist Wuppertal längst kein Paradies für schwache Blasen mehr, sondern eher die Hölle. Gerade noch neun öffentliche Toiletten sind in Betrieb. Also weniger als ein Drittel des Angebots von 1986, wobei die Mehrzahl der Klos auch noch in einem Zustand ist, der den Besuch zur Mutprobe macht.

Seit Jahren wird dieser Mangel in allen möglichen Gremien öffentlich angeprangert, passiert ist trotzdem rein gar nichts. Nicht einmal, als vor einigen Jahren mit dem Rekord-Klo am Neumarkt die einzige öffentliche Toilette in der Elberfelder Fußgängerzone dicht gemacht wurde.

Im Juli 2018 hatte Oberbürgermeister Andreas Mucke angekündigt, im Rahmen einer Sauberkeitsoffensive auch das Toilettenproblem angehen zu wollen. Sieben lange Monate später gibt es am Montag im Rat nun eine Beschlussvorlage mit einem Konzept, auf dessen Basis die Stadtwerke (formal über das Kanalnetz Inhaber der städtischen Klos) den Auftrag für Sanierung oder Neubau und den Betrieb der Anlagen durch private Unternehmen ausschreiben sollen.

Dafür bekommen die Bewerber einen sozusagen klogedeckelten städtischen Zuschuss in Höhe der Unterhaltungskosten, die Wuppertal bisher auch schon jährlich für seine Häuschen ausgegeben hat. Bis sich da was tut und wir uns (natürlich für Geld) besser erleichtern können, kann es also noch dauern.

Dabei gibt es inzwischen noch eine zusätzliche, nicht-städtische Toiletten-Baustelle: Die neue, ebenfalls privat betriebene und kostenpflichtige Anlage in der Bahnhofs-Mall schließt bereits um 22 Uhr. Wer danach am Hauptbahnhof der siebzehntgrößten Stadt Deutschlands ein Rühren verspürt, hat Pech. Kein Wunder, dass uns Taxifahrer mit gutem Blick aufs Geschehen blumig von unzähligen Wildpinkelaktionen erzählen.

Auf Einsicht beim Betreiber dürfen wir nicht hoffen. Vielleicht aber auf Stadt und Stadtwerke, denen die Idee kommen könnte, dass man an einem Bus- und Hauptbahnhof mit geschätzt 65.000 Reisenden täglich auch gut mal über ein öffentliches Toilettenangebot nachdenken könnte.

Wenn wir uns nicht mal mehr das leisten können, dann gute Nacht!

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