Top Wuppertal Der Produktionsleiter und sein kleiner Held

Wuppertal · Am Rande eines Stiftungstreffens kam Martin Müller mit dem Schauspieler Walter Sittler ("Der Kommissar und das Meer") ins Gespräch. Der machte den Wuppertaler Entwicklungshelfer spontan zum Produktionsleiter des Serien-Filmprojekts "199 kleine Helden" in Guatemala.

Ein Wuppertaler in Guatemala
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Ein Wuppertaler in Guatemala

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Eine verrückte Geschichte.

Diego ist 13 Jahre alt und besucht die letzte Klasse der Grundschule im Dorf La Esperanza Amakchel in Guatemala. Diego ist einer der Cleversten der Klasse. Nach der Grundschule möchte er die weiterführende Schule im Nachbardorf besuchen. Wenn seine Familie es sich leisten kann. Denn eigentlich soll Diego auf dem Feld arbeiten, genau wie sein großer Bruder.

Diego ist einer von 199 kleinen Helden, die derzeit von einem Filmteam auf ihrem Weg zur Schule begleitet werden. Das Ziel des Projekts: 199 Kindern in 199 Ländern eine Stimme zu geben und nach ihren Ängsten und Wünschen zu fragen. Ideengeber des Projekts ist Schauspieler Walter Sittler, seine Frau Sigrid Klausmann-Sittler ist das Herz des Projekts, sie führt auch Regie. Das Filmprojekt steht unter der Schirmherrschaft der Deutschen UNESCO-Kommission.

37 Filme wurden bisher gedreht, der 37. Film in Guatemala. Mittendrin der Wuppertaler Martin Müller von der APEI (Asociacion Amigos para las Escuelas Ixiles), einer Wuppertaler Organisation, die in Guatemala Entwicklungshilfe leistet. "Durch Zufall bin ich in das Filmprojekt gerutscht. Das ist eine ganz verrückte Geschichte", erzählt der Wuppertaler im Wohnzimmer seiner Wohnung in der Nähe der Barmer Anlagen.

Bei einer Veranstaltung der Georg-Kraus-Stiftung, die ein Förderer der APEI ist, wurden drei Filme der Serie "199 kleine Helden" gezeigt. Auch Martin Müller war vor Ort, sah die Filme und kam im Anschluss daran mit Walter Sittler ins Gespräch. Begeistert von Müllers Verbindung zu Guatemala, ernannte Sittler ihn zum Produktionsleiter des nächsten Films. "Dabei hatte ich noch nie etwas mit Film zu tun", erklärt der Wuppertaler immer noch verwundert darüber, auf welch merkwürdige Wege das Schicksal manchmal führt.

Als Produktionsleiter musste Müller sich um die Organisation der Reise kümmern, Unterkünfte buchen, Transportmittel bereitstellen, einen Übersetzer engagieren und schließlich den Kontakt zu einem der 199 kleinen Helden herstellen. Vier Wochen Zeit hatte er dafür.

Am 22. Mai ging es dann los: In Guatemala traf Müller auf Regisseurin Sigrid Klausmann und ihr Team. Gemeinsam fuhren sie in das abgelegene Dorf La Esperanza Amakchel, in dem vier potenzielle kleine Helden auf das Filmteam warteten. Der Lehrer der "Escuela Hermana Käthe", benannt nach Martin Müllers Tante, hatte vorab vier Kandidaten in die engere Auswahl genommen. Das Filmteam entschied sich für Diego. "Bei ihm hatten wir alle ein gutes Gefühl."

Bilder:

Mit vier Geschwistern und seiner Mutter lebt Diego zusammen in einer Hütte, die nur aus einem Raum besteht. Das einzige Bett in der Hütte ist Diegos Rückzugsort. Diegos 16-jähriger Bruder Juan ist der Ernährer der Familie.

Der Vater verstarb vor einem Jahr. Der Anbau von Mais und Kaffee sichert Diego und seinen Geschwistern die Existenz. Dafür müssen alle mit anpacken. Wenn Diego um 13 Uhr die Schule verlässt, steigt er den steinigen Pfad zum Maisfeld hinauf. 45 Minuten braucht er für den Weg. Rund um das Feld sammelt Diego Holz ein. Mit seiner Machete hakt er die Äste klein. Zu Bündeln geschnürt trägt er sie auf seinem Rücken nach Hause. Um 17 Uhr ist die Arbeit beendet. Erst dann kann Diego mit seinen Freunden auf der Straße spielen.

"Unser größtes Problem war, dass Diego ein recht stiller und schweigsamer Junge ist", erzählt Martin Müller. Die meisten Gespräche fanden nur zwischen der Regisseurin Sigrid Klausmann, der Übersetzerin und Diego statt. Und Martin Müller weiß selbst nicht, was ihn in dem fertigen Film erwartet. Was er aber mittlerweile weiß, ist, dass ein ganzer Drehtag nur fünf Minuten Film ergeben. "Es war für mich spannend zu sehen, wie ein Film entsteht", sagt der Wuppertaler. Vor Ort spielte er den Mittelsmann zwischen Dorfbewohnern und dem Filmteam. "Die Leute vor Ort kennen mich gut. Ich denke, sie wären sonst wesentlich skeptischer gewesen."

Seit dem 6. Juni ist das Filmteam zurück in Deutschland. Vor ihrer Abreise haben sie Diegos Familie angeboten, das Schulgeld für die weiterführende Schule zu übernehmen. Diego träumt davon, Lehrer zu werden. Der Lehrer an seiner eigenen Schule ist für ihn ein großes Vorbild. "Clever genug ist er auf jeden Fall", sagt Martin Müller.

 Von li.: Tonmann Volker Pehl, Übersetzerin Cati, Sigrid Klausmann-Sittler, Diego, Kamerafrau Jusryna Feicht und der Wuppertaler Martin Müller

Von li.: Tonmann Volker Pehl, Übersetzerin Cati, Sigrid Klausmann-Sittler, Diego, Kamerafrau Jusryna Feicht und der Wuppertaler Martin Müller

Foto: Martin Müller

Zehn bis 13 Minuten lang wird der Film über Diego dauern. Der Rohschnitt ist bereits fertig. Aus den ersten zehn Episoden der 199 kleinen Helden ist vor einem Jahr ein Kinofilm entstanden. Er trägt den Titel "Not without us — Nicht ohne uns". Aus den nächsten Serienfolgen wird ein zweiter Kinofilm produziert. In dem wird auch Diego vorkommen.

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