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Wie macht sich Mucke?

Wie macht sich Mucke?

Ein Jahr nach der OB-Wahl: vier Redaktionsmitglieder, vier Meinungen.

Stefan Seitz:
Das Kommunikationsklima zwischen Bürgern, Verwaltung und Stadtspitze war kaputt. Das hat sich klar verändert: Runde Tische, Diskussionen, Gespräche auf Augenhöhe plus der Start vieler Bürgerbeteiligungsformate. Nicht alles davon, aber fast alles, hat mit Mucke zu tun. Er will einen anderen Umgang mit den Menschen. Ich denke, die spüren das. Klar: Es geht noch deutlich besser. Aber der Wind hat sich gedreht. Solche Stimmungen sind sehr wichtig für ein gutes Wuppertal-Feeling. Und das gab's seit Jahren nicht mehr... Außerdem: Mucke ist sichtbar. Man kann ihn überall zufällig treffen. Im Anzug, in Jeans, im Sport-Outfit. Beim Einkaufen, auf der Trasse, beim Tango im "Ada". Ein OB zu Fuß. Gefällt mir. Und Mucke versteht Spaß: Ob Balljunge beim WSV, "Wittkopp" beim Bleicherfest, "Dressman" bei der Sozialmodenschau mit Second-Hand-Klamotten aus der Tafel-Kleiderkammer. Wir Medien drucken diese Bilder lieber als all die haufenweise vorhandenen Fotos von "ernsten" Treffen. Wer Mucke "Spaßfotos" vorwirft, hat's nicht verstanden. Gut gelöst hat er das Problem der "Forensik-Falle": Wuppertal hatte keine Chance (mehr) — und hat sie genutzt. Mit Verhandeln, Reden, Erklären. Das Ergebnis gefällt nicht allen. Kann auch gar nicht. Auch Ex-Umweltaktivist Mucke hat nie verschwiegen, dass er die Kröte schlucken musste, einen Teil der Kleinen Höhe preiszugeben. Zum Schluss: "Andere" politische Mehrheiten und eine "andere" Verwaltung — das sind superdicke Bretter. Die bohrt kein OB allein. Schon gar nicht innerhalb nur eines Jahres.

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Nicole Bolz:

Ob Steingarten oder Bleicherfest — überall da, wo es zwischen Verwaltung und Bürgern so knirschte, dass eine Katastrophe drohte, glänzte der neue Oberbürgermeister. Mit einem sicheren Gespür für das, was die Wuppertaler wirklich bewegt, grätschte er dazwischen und holte die Beteiligten an einen Tisch. Und siehe da: Lösungen wurden gefunden. Schnell und ganz unkompliziert. Jetzt muss die Verwaltung (nur) noch verstehen, dass sie das auch ohne Aufforderung des OB umsetzen sollte. Der OB als Kümmerer — das kommt draußen an!
Kaum im Amt setzte Andreas Mucke im Doppelhaushalt 2016/17 eigene Akzente. Etwa in der Kultur: 20.000 Euro mehr gab es für die freie Szene; die Wuppertaler Bühnen können sich 2017 über 80.000 Euro mehr freuen. Eine symbolische Geste als Zeichen dafür, dass ihm die Kultur am Herzen liegt. Ob daraus eine langfristige Unterstützung wird, ist noch nicht zu erkennen. Auch sind die Bühnen noch nicht gerettet — die Entscheidung über deren Zukunft ist lediglich vertagt. Immerhin: Keine Sparte ist gestrichen, keine weiteren Kürzungen erfolgt. Schafft er es, das Ruder herumzureißen, könnte dies einer von Muckes ganz großen Erfolgen werden.


Roderich Trapp:

Oberbürgermeister in Wuppertal ist eine gerne etwas überschätzte Position. Mit dem Wechsel von Peter Jung zu Andreas Mucke hat die Stadt keinen neuen Messias bekommen, sondern ein Stadtoberhaupt, das genau wie sein Vorgänger massiv eingeschränkt wird: durch Sachzwänge im Zuge der Haushaltskonsolidierung, landes- und bundespolitische Rahmenbedingungen und die politische Konstellation im Stadtrat. Macht im engeren Sinn hat Mucke daher im wesentlichen dort, wo man es von außen eher weniger wahrnimmt: nämlich als Leiter der Stadtverwaltung. Deren Mitarbeiter auf einen bürgerfreundlichen und lösungsorientierten Kurs einzuschwören und gegen das Bremser-Image anzugehen - damit hat Mucke immerhin begonnen und einige Ausrufezeichen gesetzt. Das ist gut so! Dass man auch dabei an Grenzen - siehe oben - stößt, zeigt das Beispiel Einwohnermeldeamt.
Am Ende wird man ihn trotzdem vor allem daran messen, wie es mit Wuppertal im Großen und Ganzen voran geht. FOC-Streit, Bergische Arena, verzögerter Hauptbahnhof-Umbau, Verkehrsprobleme, Einzelhandelssituation, Trassen-Ausbau, bessere Stadtentwicklungs-Ideen - all das sind Themen, die ein Oberbürgermeister natürlich nicht alleine steuern kann, bei denen Andreas Mucke aber durchaus mehr Akzente setzen könnte. Da muss noch was kommen, damit der Daumen - bei allem Respekt für seinen persönlichen Einsatz - endgültig hoch geht.


Hendrik Walder:

Dieser Job muss wirklich einen ungeheuren Spaßfaktor haben. Wie sein Vorgänger beteuert auch Andreas Mucke, dass ihm jeder Arbeitstag große Freude bereite. Kein Wunder bei diesen Rahmenbedingungen: Montags bis freitags 12 bis 14 Stunden ausgefüllt mit Terminen, Gesprächen, Sitzungen, Besuchen, Ansprachen, Briefverkehr, am Wochenende jede Menge Repräsentation — da braucht man sich über Freizeit keine Gedanken zu machen. Doch tatsächlich sind auch jetzt nach einem Jahr beim neuen OB keine Spuren von Überdruss erkennbar. Andreas Mucke ist nach wie vor ein Strahlemann, gerne gut gelaunt, stets zu Scherzen aufgelegt, fast unbekümmert — so wie ihn eben das Wahlvolk auf den OB-Stuhl gehievt hat. Das kann bei hochoffiziellen Terminen schon mal etwas arg hemdsärmelig wirken, aber er bleibt sich halt treu.
Das gilt auch für seine politische Agenda. Die Betonung liegt — wie vor der Wahl — auf sozialen Themen, gerne auch im Stadtteil angesiedelt. Wohl nicht zuletzt aufgrund der persönlichen Partnerschaften im Rathaus, wo Sozialdezernent Kühn für Mucke mindestens die Bedeutung hat wie zuvor Stadtdirektor Slawig für Peter Jung. Ansonsten präsentiert der selbsternannte "politische Oberbürgermeister" in erster Linie eine realpolitisches Verständnis seines Amtes: Wo die Mehrheiten nichts als eine große Koalition zulassen, erübrigen sich ideologische Experimente oder gar offene Konfrontationen mit "seinem" Fraktionschef Reese.